Ich freue mich, als erste Interviewpartnerin für diesen Blog Susanne Gössl gefunden zu haben. Kennengelernt habe ich sie 2015 auf einer Veranstaltung des Justitia-Programms an der Universität Bonn, als ich noch Studentin war und sie schon Habilitandin. Seither hat sie mir verschiedentlich mit Rat und Tat bei meiner Promotion und anderen Themen rund um Wissenschaft und universitäres Leben geholfen. Seit ein paar Wochen darf ich sie auch ganz offiziell meine Mentorin nennen. Susanne hat in Köln im Internationalen Privatrecht promoviert und habilitiert jetzt in Bonn im Verfahrensrecht. Sie hat die Tagung junger IPRler ins Leben gerufen, ist Teil des Rechtsausschusses zur Umsetzung der ADR-Richtlinie und war gerade erst als Gastdozentin an der Universität in Gent. Sie ist eines meiner persönlichen Vorbilder und ich fand es super spannend, von ihr zu hören, wie ihre Promotion verlaufen ist und welche Gedanken sie dazu hat.

Zu welchem Thema hast Du promoviert? An welcher Hochschule? Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat? Was machst Du heute?

Das Thema lautete „Internetspezifisches Kollisionsrecht? Anwendbares Recht auf die Veräußerung virtueller Gegenstände“ und untersucht aus kollisionsrechtlicher Perspektive die Übertragung von digitalen (oder „virtuellen“) Gegenständen im Online-Kontext. Ich habe an der Universität zu Köln bei Herrn Professor Mansel promoviert.

Meine Promotionsphase begann faktisch schon während der Examensvorbereitungszeit, d.h. 2008/2009, da ich damals angefangen habe, das Thema zu überlegen. Effektiv an dem Thema gearbeitet habe ich von Ende 2010 bis Ende 2011, die Disputation war Mitte 2013 und die Titelführungsbefugnis habe ich seit 2014 (genaueres wird in den nächsten Fragen erläutert).

Ich habe nach einen LL.M. und vor dem Referendariat promoviert, die beiden Gutachten haben sich dann aber verzögert, weswegen ich die Disputation während des Referendariats hatte.

Heute bin ich Akademische Rätin und Habilitandin an der Universität Bonn.

Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?

2008 nahm ich an einem Seminar teil, das sich mit digitalen Gütern (die damals noch nicht so genannt wurden) und ihrer zivilrechtlichen Einordnung beschäftigte. Ich vermisste die kollisionsrechtliche Beurteilung, die ja überhaupt erst zum deutschen Recht führen würde. Daher beginnt meine Promotionsphase quasi damals. Denn seitdem wusste ich, in welchem thematischen Feld ich promovieren wollte. Die Fragestellung habe ich dann in der damaligen Zeit weiter konkretisiert und mit meinem späteren Doktorvater abgesprochen. Nach dem Examen bin ich ein Jahr (2009-2010) in die USA für ein LL.M. Studium gegangen und habe dort Vorlesungen in meinen Interessengebieten besucht (im Bereich IPR/Internetrecht/IP-Recht), die dann auch dazu geführt haben, dass ich mein Thema weiter konkretisiert habe. Im September 2010 habe ich effektiv mit der Arbeit angefangen, sie Ende November 2011 das erste Mal inoffiziell eingereicht, da ich am 1.12. in Hamburg mein Referendariat begonnen habe. Im Frühjahr 2012 habe ich die Arbeit mit Anmerkungen von meinem Doktorvater zurückerhalten und dann im Sommer 2012 offiziell eingereicht. Im Mai 2013 hatte ich dann Disputation. Damals war ich schon in der „heißen Phase“ der Examensvorbereitung, deswegen habe ich die Veröffentlichung erst mal vernachlässigt. Nach dem Examen schloss sich direkt meine Bewerbung in Bonn an, sodass sich die Veröffentlichung dann noch weiter verschob. Ende 2014 ist das Buch dann erschienen.

Wie hast Du Deine*n Betreuer*in gefunden?

Ich war in der glücklichen Position, gleich zwei potenzielle Betreuer zur Wahl zu haben, nämlich meinen langjährigen Chef am Institut für Medienrecht, an dem ich studentische Hilfskraft war, und den Betreuer meiner Schwerpunktarbeit, Herrn Professor Mansel. Am Ende habe ich mich für letzteren entschieden, weil für mich seit meiner ersten Vorlesung im IPR klar war, dass in diesem Gebiet mein Herz liegt (fachlich) und ich eine kollisionsrechtliche Arbeit schreiben wollte.

Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?


2008 nahm ich an einem Seminar teil, das sich mit digitalen Gütern und ihrer zivilrechtlichen Einordnung beschäftigte. Seitdem wusste ich, in welchem thematischen Feld ich promovieren wollte.

Ursprünglich hatte ich den Eindruck, das Kollisionsrecht müsste in Online-Konstellationen zumindest teilweise überholt werden und ich dachte mir, dass die Transaktionen über unkörperliche Gegenstände gut geeignet sind, die Probleme des Onlinehandels aufzuzeigen. Es ging mir weniger um das Verpflichtungsgeschäft als vielmehr auch die dingliche Seite. Während der Arbeit habe ich immer stärker festgestellt, dass meine Ausgangsthese nicht unbedingt zutrifft. Am Ende kam ich dann zum Ergebnis, dass das Kollisionsrecht nicht zwangsläufig reformiert werden muss, sondern die juristischen Probleme vor allem im Sachrecht liegen, das wiederum Ausgangspunkt des Kollisionsrechts ist. Dieses Ergebnis war etwas überraschend, weil ich meine eigene Ausgangsthese am Ende widerlegt habe.

Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?

Ja, weil mein Doktorvater ursprünglich nicht sicher war, ob das Thema kollisionsrechtlich interessant ist. Mit dem Exposé hat er seine Meinung geändert. Mir hat es also eine Promotionszusage eingebracht und darüber hinaus auch einen ersten Ansatz, wie ich meine Arbeit genauer untergliedere, welche einzelnen Untersuchungsschritte notwendig sind. Später habe ich die Gliederung immer wieder neu konzipieren müssen, aber der Gedankengang ist eher konkreter geworden, nicht anders.

Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?

Ich habe auf der Schnittstelle von zwei Gebieten promoviert, dem Medien-/Internetrecht und dem Kollisionsrecht. Problematisch war, dass das Thema selbst wenig diskutiert, d.h. die Literatur sehr überschaubar war, aber die abstrakte Fragestellung, auf die ich dann zurückfiel, eine Unmenge an Literatur und Diskussion aufweist, national und international. Diese Quellen zu überblicken und zu verwalten, war die größte Herausforderung.

Ich versuche bis heute, wenn ich mich in ein neues Thema einarbeite, erst dann etwas zu schreiben, wenn ich die Literatur durchdrungen habe (oder es zumindest annehme). Das führt dazu, dass ich am Anfang sehr viel lese, ehe ich anfange, meine eigene Meinung zu bilden. Damit ich keine Informationen verliere, halte ich die Inhalte parallel zum Lesen immer in einem Dokument in Stichworten fest und setze auch schon Fußnoten nach jedem Stichpunkt, damit ich das später nicht nachholen muss. Wenn ich den Eindruck habe, die Literatur zu überblicken (das ist dann der Fall, wenn ich lese und alle zitierten Quellen schon gelesen habe und/oder keine neuen Gedanken mehr finde), gehe ich diese Notizen durch und sortiere sie, wodurch ich sie noch einmal inhaltlich nachvollziehen muss. Danach formuliere ich sie aus und bin dann inzwischen so weit, dass ich weiß, was ich dogmatisch/methodisch für überzeugend halte. Das ist recht aufwändig, aber dafür stehe ich dann ziemlich sicher hinter dem, was ich vertrete.

Ein weiterer Nachteil ist, dass ich meist mit etwa 70 Seiten Stichpunkten und 500 Fußnoten beginne, die ich dann auf 30 Seiten reduziere. Das führt bei Word regelmäßig dazu, dass die Grammatik- und Rechtsschreibprüfung kollabiert, wodurch der Text anfälliger für Typos wird.

Zur Literaturverwaltung: Damals habe ich ganz klassisch Aufsätze kopiert und Bücher ausgeliehen. Um den Überblick zwischen gelesen-nichtgelesen zu bewahren, habe ich alle ungelesenen Texte auf meinem Schreibtisch abgelegt (der zum Glück sehr groß war). Kopien wurden abgeheftet und Bücher ins Regal gestellt (oder zurückgegeben), sobald ich einen Text durchgearbeitet hatte, d.h. ich hatte immer vor Augen, wie viel Arbeit vor mir liegt. Ähnlich gehe ich bis heute vor, allerdings mit dem Unterschied, dass ich inzwischen die meisten Texte digital in einer cloud abspeichere und zusätzlich in citavi einspeise, sobald ich sie durchgearbeitet habe.

Es war und ist für mich mental ganz hilfreich, weil ich mir meinen Arbeitstag danach gestalten kann, wie viel Platz auf meinem Schreibtisch leerzulesen ist.

Während der Dissertation habe ich keine Literaturverwaltungsprogramme benutzt. Ich hatte ein traumatisches Erlebnis mit einem Literaturverwaltungsprogramm, weil ich zwischen Apple und Windows wechseln musste, abhängig davon, von wo ich gearbeitet habe. Plötzlich war die Datenbank fort. Auch hatte ich einmal ein Kompatibilitätsproblem bei zwei Office-Versionen. Daraus habe ich die Lehre gezogen, nur noch konsequent ein Betriebssystem zu nutzen. Auf ein Literaturverwaltungsprogramm habe ich damals verzichtet, aber bei jedem Aufsatz, den ich durchgearbeitet hatte, einen Eintrag in meinem händischen Literaturverzeichnis gemacht, um sicher zu sein, dass ich das nicht später noch mal machen muss.

Inzwischen bin ich bei Windows und nutze Citavi, sowohl zur Fußnotenverwaltung als auch um die Texte, die ich lese, digital zu speichern und sie später wiederzufinden.

Ich empfehle inzwischen jedem, ein Literaturverarbeitungsprogramm zu nutzen, auch, weil ich mich an die Arbeit erinnere, später noch einmal nachzuvollziehen, ob ich alle Quellen einheitlich zitiert habe (z.B. wird die Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft als ZVRW, ZVglRWiss, ZVglRW abgekürzt und das Journal of Private International Law u.a. als JPIL, JPrivIntL und J.Priv. Int. L., nichts ist falsch, aber Einheitlichkeit ist wichtig).

Wie lief das Schreiben ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?

Ich habe immer erst recherchiert und dabei Stichpunkte mit Fußnoten gemacht, wenn ich dabei Gedanken hatte, habe ich sie farbig dazu geschrieben, um deutlich zu machen, dass es meine Gedanken sind. Dann habe ich die Notizen sortiert, nach Argumenten, Gedankenfluss und Methodik und sie danach ausformuliert. Wenn ich mit einem Kapitel fertig war, habe ich es überarbeitet und vor allem gekürzt. Hintergrund war auch, dass mein Betreuer in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt der Arbeit lesen können sollte. Ich habe damals stets alle zwei bis drei Monate einen Termin mit ihm vereinbart und etwa eine Woche vor dem Termin mir selbst den Druck gemacht, eine ausformulierte, vorzeigbare Textversion an ihn schicken zu können. Das war gut, um Feedback zu kriegen, ob mein Gedankengang so sinnvoll ist, aber zusätzlich hat es auch dazu geführt, dass ich meine Gedanken immer schon zeitnah ausformulieren musste.  

Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?

Schwer zu sagen. Nach den Gesprächen mit meinem Betreuer ging ich meist mit gefühlt zwanzig noch zu bewältigenden Quellen nach Hause, die ich dann im nächsten Schritt durch- und einarbeitete. Das war ein wichtiger Schritt, um die Diskussion wirklich noch weiter zu vertiefen. Am Ende die Durcharbeitung war auch noch einmal wichtig, weil ich ja inzwischen wusste, worauf die Arbeit hinausläuft, während ich ursprünglich ergebnisoffen herangegangen bin.

Ich habe mehrere Personen in meinem Freundeskreis gebeten, meine Arbeit korrekturzulesen. Leider war ich damals die einzige in diesem Kreis, die IPR machte, d.h. fachliches Feedback konnte ich mir nur aus fachfremder Perspektive einholen. Aber es war auch sehr interessant, fachliches Feedback von juristisch versierten, aber nicht kollisionsrechtlich interessierten Personen einzuholen, um gegebenenfalls noch mal Formulierungen so zu überarbeiten, dass sie hoffentlich auch für ein breiteres Publikum zugänglich sind. Außerdem habe ich einen sehr guten Freund, der kein Jurist ist und der mich immer wieder drauf hingewiesen hat, wenn ein Satz völlig unverständlich für einen Nichtjuristen war. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Manko vollends beseitigen konnte, aber es war auf jeden Fall gut, hier einen geschärften Blick zu gewinnen.

Wie hast Du Dich auf die Disputatio(n) vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio(n) und die Diskussion?

Um ehrlich zu sein, erinnere ich mich nicht mehr genau. Ich habe die Arbeit gelesen und versucht, die wichtigsten Thesen herauszufiltern und in einen Kurzvortrag umzumünzen. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich wahrscheinlich einen ziemlich langweiligen Vortrag gehalten habe, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ich irgendetwas anders machen würde und wenn, was.

Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess?

Ich war beim Disputationstermin bereits in der unmittelbaren Examensvorbereitung. Ich habe daher die Veröffentlichung vernachlässigt und gelernt, dann die Klausuren geschrieben und bin nach Südamerika in meine Wahlstation gereist. Nach der Rückkehr habe ich mich auf die mündliche Prüfung vorbereitet und hatte unmittelbar danach mein Vorstellungsgespräch zu meiner aktuellen Stelle. Danach habe ich die Arbeit, die seit Einreichung dann fast anderthalb Jahre alt war, aktualisiert und die Kritikpunkte aus den Voten eingearbeitet und mich mit der Arbeit bei einer Schriftenreihe beworben. Die Zusage kam dann zum Glück sehr schnell, ebenfalls der Verlagsvertrag, da ich damit die Jahresfrist zwischen Disputation und Verlagsvertrag (die jedenfalls nach der Promotionsordnung der Universität zu Köln gesetzt wird), nahezu ausgereizt hatte.

Danach habe ich vom Verlag lange nichts gehört und hatte leider auch keine Kontakte der Lektorin. Nach mehrmaligem Nachfragen habe ich dann etwa drei Monate später erfahren, dass die Lektorin meinen Namen in der E-Mail-Adresse falsch geschrieben hatte und mich daher nicht erreicht hatte. Nachdem der Kontakt hergestellt war, ging es dann recht schnell, ich habe im Oktober 2014 die Freigabe der Druckfahnen erklärt und Ende November 2014 hatte ich das Buch dann in den Händen.

Du hattest ja eine relativ lange Zeit zwischen Abgabe und Veröffentlichung. Hattest Du eine bestimmte Strategie, wie Du in der Aktualisierung vorgegangen bist?

Ich habe, während ich mich auf die Disputation vorbereitet habe, und auch im Nachgang, immer etwas weiterverfolgt, ob es große Änderungen bei den Fragen gab, die ich aufgeworfen habe. Glücklicherweise nicht. Es gab eine EuGH-Entscheidung, die in Linie mit anderen EuGH-Entscheidungen war, ein paar Kommentare waren zu aktualisieren und die Cour de Cassation hat etwas entschieden, was thematisch passte, aber auch eher am Rande interessant war. Und weil es keine weltumstürzenden Veränderungen gab, habe ich dann im Vorwort eine deadline genannt und geschrieben, dass nachfolgende Änderungen nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Ich würde das auch zukünftig jeder oder jedem empfehlen, denn theoretisch kann man immer noch weiter aktualisieren und ergänzen. Aber irgendwann muss man selbst auch zu denen gehören, die von anderen ergänzt und eingearbeitet werden müssen.

Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?

Richtige Durststrecken hatte ich nie. Ich fand mein Thema spannend und wollte dazu schreiben. Ich war zugleich in einem tollen Lehrstuhlteam eingebunden und wir haben viel über gänzlich andere Themen gesprochen. Das hat vielleicht dazu geführt, dass ich nie völlig in meinem Thema „versackt“ bin. Außerdem war mein Sozialleben ziemlich voll. Ich war gerade aus den USA zurückgekommen und hatte daher in meinem Freundeskreis viel aufzuholen. Außerdem hatte ich mich selbst fortentwickelt und das führte dazu, dass ich viele neue Dinge ausprobierte und auch neue Freundschaften schloss. Die regelmäßigen Treffen mit meinem Doktorvater waren wahrscheinlich auch hilfreich, da ich immer wieder viel fachliches und konstruktives Feedback bekam, um motiviert weiterzumachen. Im Nachhinein würde ich sagen, dass es wahrscheinlich diese Mischung aus viel Ablenkung aber zugleich dem selbstgesetzten Druck, regelmäßig Ergebnisse zu liefern, ganz sinnvoll war. Und die Motivation, das Thema zu erarbeiten und meine Kenntnisse im Kollisionsrecht weiter auszubauen, hat bis heute nicht nachgelassen.

Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?

Keine Arbeitsgruppe und leider auch nicht wirklich Austauschpersonen im Kollisionsrecht, wenn man von meinem Betreuer absieht. Aber das war eine großartige Betreuung, daher habe ich hier nicht wirklich ein Defizit bemerkt. Ich war in einem nicht-kollisionsrechtlichen Lehrstuhlteam (Medienrecht), in dem ich immer gezwungen war, zu erklären, was eigentlich IPR ist und warum es nicht nur eine tolle, sondern auch eine extrem wichtige Materie ist. Inzwischen habe ich als Habilitandin sehr viel Austausch mit Fachkollegen und stelle immer wieder fest, dass das auch ein riesiger Vorteil ist, um Feedback zu kriegen oder auch um einfach simple organisatorische Schritte zu besprechen. Im Nachhinein glaube ich, wäre eine Arbeitsgruppe oder ein regelmäßiger Austausch sicher hilfreich gewesen, wobei es immer vom konkreten Kreis abhängt und davon, wie konstruktiv das jeweilige Feedback ist. Sonst kann es auch sehr viel Zeit kosten und wenig ertragreich sein.

Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?

Ich hatte eine halbe WissMit-Stelle an der Uni. Nach dem USA-Aufenthalt habe ich überlegt, mich für ein Stipendium zu bewerben, mich dann aber bewusst dagegen entschieden, weil ich die Arbeitszeit, die das erfordert, lieber in die Dissertation selbst gesteckt habe. Ich hatte damals noch nicht vor, in die Wissenschaft zu gehen und wollte auch recht bald ins Referendariat. Ich hatte mir daher selbst eine Deadline von etwas über einem Jahr gesetzt (u.a. dadurch, dass ich mich in Hamburg fürs Ref beworben hatte, wo man seinen Referendariatsbeinn nur einmal nach hinten verschieben kann). Die halbe Stelle war vollkommen ausreichend, um mich zu finanzieren und die Arbeitsbelastung auch fair, sodass ich Zeit für die eigene Arbeit fand. Außerdem mochte ich die Lehrstuhlarbeit (und das Lehrstuhlteam) und auch das AG-Leiten, das zur halben Stelle gehört. Das sind die Vorteile. Auf der Nachteilsseite bin ich mir nicht sicher. Arbeiten kostet natürlich Zeit, aber sie bringt auch Erfahrung.

Alternativen wären ein Stipendium oder die Arbeit in einer Kanzlei (o.ä.) gewesen. Ich glaube, die komplette Freiheit durch eine Drittfinanzierung hätte bei mir dazu geführt, dass ich weniger strukturiert und stringent gearbeitet hätte. Vielleicht aber auch nicht, vielleicht hätte ich mich dann auch dazu verpflichtet, mich in eine Bibliothek zu setzen und dort zu arbeiten. Ich weiß nicht, ob mir dann der Austausch gefehlt hätte, den ich am Lehrstuhl hatte oder ob ich den auf andere Weise hergestellt hätte. Mit anderen Leuten wahrscheinlich, daher ist es schwer, Vor- oder Nachteile zu erwägen. In einer Kanzlei wäre es sicher auch spannend geworden, weil ich dann den Blick für die Praxis geschärft hätte und eine andere Arbeitsweise kennen gelernt hätte. Es ist wirklich schwer zu sagen.

Inwiefern war es für Dich hilfreich, an einem anderen Lehrstuhl zu arbeiten als bei Deinem Doktorvater?

Es war hilfreich, dass ich die Arbeit am Lehrstuhl und die Doktorarbeit thematisch sauber trennen konnte. Ich hatte vorher auch am Lehrstuhl meines Doktorvaters gearbeitet und gemerkt, dass ich dann auch während der Arbeit an der Dissertation gedanklich teilweise in andere Fragen abgeglitten bin, die sich parallel in anderen Gebieten stellten. Das hatte ich dann nicht. Und allgemein ist es vielleicht auch ein Vorteil, nicht für den Doktorvater zu arbeiten, weil dann nicht unbewusst der Druck entsteht, alles perfekt zu machen, damit es nicht für die Promotion negativ wirkt. Das hängt wahrscheinlich vom Doktorvater oder der Doktormutter ab und wäre bei meinem ziemlich sicher kein Problem gewesen. Aber meine Beobachtungen von anderen Lehrstühlen zeigen, dass die Gefahr immer bestehen kann. Und natürlich sind akademische Eltern auch nur Menschen, d.h. es lässt sich nie ausschließen, dass eine schlechte Arbeit einen schlechten Eindruck prägt oder bekräftigt und umgekehrt. Aber das sind jetzt bloße Mutmaßungen.

Glaubst Du, es hat Dir genützt, dass es zumindest teilweise thematische Überschneidungen zwischen Lehrstuhlthemen und deiner Dissertation gab?

Ja, für die technischen Aspekte der Arbeit war es praktisch, immer einen Ansprechpartner zu Verfügung zu haben. Außerdem bestand ein Grundinteresse an meiner Fragestellung (sobald es kollisionsrechtlich tiefer wurde, nicht mehr ganz so). Also habe ich versucht, zu erklären, wie ich vorgehe. Das Feedback, insbesondere auch die gelangweilten Blicke, waren ganz hilfreich, um zu merken, dass es Kommunikationsprobleme geben kann. Ich bin mir nicht sicher, ob die daraus gezogenen Erfahrungen in die Dissertation eingeflossen sind, weil ich diese schon für ein kollisionsrechtlich interessiertes Publikum verfasst habe. Aber allgemein bin ich sensibilisiert worden, wie ich etwas intradisziplinärer kommunizieren kann (wenn man Kollisionsrecht und Sachrecht als verschiedene Disziplinen betrachtet). Ob mir die Kommunikation wirklich gelingt, ist natürlich eine andere Frage, aber immerhin habe ich Problembewusstsein erworben.

Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?

Ich war in den USA, in New Orleans (Tulane University School of Law) und habe dort einen LL.M. gemacht. Mit dem Hauptteil der Dissertation habe ich erst im Anschluss angefangen, aber ich hatte bereits mein Thema und habe es gedanklich immer bei mir getragen. Es hat mir persönlich sehr geholfen, mich vom deutschen Rechtsdenken zu lösen, sowohl im Zivilrecht als auch im Kollisionsrecht. Gerade Fragen des Immaterialgüterrechts werden in den USA ganz anders gedacht und diese waren zentral für meine Arbeit.

Fachlich hat mir der Aufenthalt auch den Blick geöffnet, vor allem auf die reiche IPR-Diskussion, die in den USA mit ganz anderem Blickwinkel geführt wird und die in Deutschland meist etwas verächtlich abgetan wird, was sie aber nicht verdient. Das fließt in meine Arbeit nicht direkt ein, aber ich glaube, es führt dazu, dass ich einen kritischeren Blick auf einige Grundannehmen des deutschen und europäischen IPR gewonnen habe. Und ein kritischer Blick ist wahrscheinlich immer hilfreich.

Außerdem hatte ich damals die Freiheit gefunden, über mich selbst und meine Wünsche nachzudenken, weil ich nicht in meinem üblichen sozialen Leben eingebunden war. Das war sehr hilfreich, um mir über vieles klarer zu werden (der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber wahrscheinlich ist es das auch nie). New Orleans war vier Jahre vorher von „Katrina“ stark zerstört worden und während meines Aufenthalts geschah der Deepwater Horizon Oil Spill im Golf von Mexiko. In einer solchen Stadt zu leben und die Lebensfreude der Menschen zu spüren (insbesondere, als die Saints den Super Bowl gewannen – bis heute zum einzigen Mal) und zugleich auch ihre Frustration mit der Regierung in D.C. und ihrem Katastrophenmanagement war extrem prägend. Meine Prioritäten und Wertigkeit haben sich seitdem stark verschoben. Im Anschluss habe ich in Boulder, Colorado, in einer NGO gearbeitet und das war ein krasser Perspektivenwechsel, Boulder war bereits damals eine der ersten reichen Hipster-Städte und der Kulturschock zwischen Louisiana und Colorado für mich enorm. Ich habe seitdem auch eine ganz andere Perspektive auf die USA, aber auch auf Europa, insbesondere die EU, und auf die Politik.

Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?

1. Formuliere dein Thema eng – es wird von selbst breit. Es sollte eine einzelne konkrete Fragestellung beinhalten.

2. Setz Dir konkrete Deadlines und halte sie ein, notfalls durch äußeren Druck. Eine allgemeine für die Abgabe und Unter-Deadlines für einzelne Abschnitte.

3. Verwende von Anfang an Citavi oder ein ähnliches Programm. Dann wirst Du nie erfahren, wie viel unnötigen Zeitverlust Du Dir erspart hast.

Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?

Gebracht hat es mir zum einen Selbstbewusstsein, dass ich tatsächlich selbstständig ein Projekt beginnen und in ungefähr dem Zeitrahmen abschließen kann, den ich vorher eingeplant habe. Und zugleich hat mir die Promotion die Angst genommen, riesige Projekte anzugehen – es hat sich gezeigt, wenn ich sie nur in kleine Stücke herunterbreche und Stück für Stück daran arbeite, ist das Projekt plötzlich gar nicht mehr so riesig und machbar. Außerdem habe ich gelernt, Dissertationen anderern Leute mit anderen Augen zu lesen, insbesondere den Aufbau und die Fragestellung, da ich darüber das Denkmuster der verfassenden Person besser erkennen und daher (hoffentlich) auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse besser nachvollziehen kann.

Persönlich wenig, ich habe mich bis heute nicht dran gewöhnt, damit angesprochen zu werden. Ich wollte die Arbeit schreiben und forschen, der Doktortitel war eher ein netter Nebeneffekt. Meine Vermieterin ist deutlich höflicher geworden, seit sie zufällig davon erfahren hat, das ist ein riesiger Vorteil. Außerdem erlaubt mir die Dissertation, Habilitandin zu sein und das ist großartig.

Ich würde mich auf jeden Fall wieder für eine Dissertation im IPR entscheiden. Was ich definitiv anders machen würde, ist die Wahl meines Titels. Das ist gar nicht so einfach, wie man vielleicht vorher denkt. Ich werde nicht von den Leuten gelesen, von denen ich gerne gelesen werden würde und viele Personen glauben, dass ich nur über AGB-Recht in Spielen und Kaufverträge über virtuelle Schwerter geschrieben haben.

Gibt es sonst noch etwas, was Du gerne sagen möchtest?

Eine Dissertation macht wahnsinnigen Spaß, wenn man ein Thema hat, das einen interessiert und von einer Person betreut wird, mit der man fachlich und persönlich zusammenpasst. Aber eine Promotion kann schrecklich sein, wenn eine der beiden Koordinaten nicht stimmt, das habe ich in meinem Bekanntenkreis mehrfach erlebt. Es lohnt sich hier, Zeit in die Suche (Thema und Betreuung) zu investieren und dann eine wunderbare Zeit der Kenntnisgewinnung zu erleben.

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