Ich freue mich, dass ich heute Scarlett Jansen interviewen darf. Als Mitglied des Justitia-Programms der Universität Bonn war sie eine der Stimmen, die mich bei der Entscheidung, zu promovieren, bestärkt haben. Außerdem ist sie die erste Strafrechtlerin, die hier ihre Erfahrungen teilt.
Scarlett hat in Bonn studiert und ebenfalls dort im Medizinstrafrecht promoviert. Sie war am Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Autorennen beteiligt und ihr Habilitationsprojekt wird von der DFG gefördert. In ihrem Interview erzählt sie unter Anderem von den Vorteilen durch das Schreiben eines Exposés, dem Veröffentlichungsprozess und der Promotion mit Kind.
Zu welchem Thema hast Du promoviert?
In meiner Dissertation ging es um „Forschung an Einwilligungsunfähigen“. Ich habe darin strafrechtliche und verfassungsrechtliche Perspektiven der medizinischen Forschung an solchen Personen beleuchtet, die selbst nicht einwilligen können, insbesondere Kinder, Notfallpatienten und Alzheimer-Erkrankte und mich gefragt, ob solche Forschung auch dann möglich ist, wenn sie den Personen selbst nicht mehr zugute kommen kann, weil sie fremdnützig ist.
An welcher Hochschule?
An der Uni Bonn.
Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat?
Ich habe schon während des letzten Semesters des Studiums nach einem Thema gesucht und einen Antrag auf ein Stipendium gestellt. Unmittelbar im Anschluss an das Studium habe ich promoviert und während dieser Phase meine Tochter bekommen. Die Promotionsphase dauerte bei mir knapp zwei Jahre. Daraufhin habe ich das Referendariat gemacht.
Was machst Du heute?
Weil mir das Forschen und Lehren so viel Spaß gemacht hat, habe ich beschlossen, weiterhin an der Uni bleiben zu wollen. Nach dem Referendariat habe ich demnach mit meiner Habilitation begonnen und bin damit noch nicht fertig.
Wolltest Du schon zu Beginn der Promotion in die Wissenschaft, oder hat sich das erst in dieser Zeit ergeben?
Ich hatte schon zu Studienzeiten eine Ahnung, dass mir der Job gefallen könnte. Zu dieser Zeit habe ich mich aber noch nicht getraut, das zu formulieren. Die Promotion war dann eine Art Testlauf: Gefällt mir das wirklich und bin ich gut genug? Danach habe ich im Referendariat das Richteramt noch getestet, das im Verhältnis zur Wissenschaft in meinem Ranking weit abgefallen ist. Nach der Richterstation im Referendariat stand dann für mich fest, dass ich diesen Weg einschlagen möchte.
Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?
Das Thema hat mir mein Doktorvater vorgeschlagen, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass mich das Medizinstrafrecht sehr interessiert. Das war zu Beginn meines letzten Semesters des Studiums. Ich habe daraufhin ein Exposé verfasst und mit ihm abgesprochen und ein Stipendium bei der Graduiertenförderung beantragt. Zum Glück wurde dieses genehmigt, so dass ich mit Abschluss des Studiums sofort entsprechend finanziert wurde. Meine Schriftfassung habe ich final ca. 20 Monate nach diesem Zeitpunkt abgegeben. Unterbrochen habe mich meine Dissertationsphase nur kurze Zeit vor und nach der Geburt meiner Tochter (im 16. Monat der Dissertation) und dann stundenweise immer mehr wieder daran gearbeitet. Die freie Zeiteinteilung während der Dissertationsphase hat mir das sehr leicht gemacht. Die Disputatio fand vier Monate nach der finalen Abgabe statt.
Was waren für Dich die besonderen Herausforderungen dadurch, dass Du während der Promotionsphase Deine Tochter zur Welt gebracht hast? Inwiefern hat es Dir vielleicht auch geholfen?
Dass meine Tochter während der Promotion zur Welt kam, war auch im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung. Die Schwangerschaft (bis auf die letzten Wochen) hat die Promotion kaum beeinflusst. Als meine Tochter da war, habe ich ca. zwei Wochen ganz Pause gemacht und dann ganz langsam wieder angefangen, zunächst mit wenigen Stunden, dann wieder mehr. Dazu habe ich die Stunden genutzt, in der meine Tochter geschlafen hat. Dadurch habe ich Effizienz gelernt: Wenn ich wusste, dass der Mittagsschlaf nur 1 Stunde dauert, habe ich mich in dieser Zeit nicht ablenken lassen, sondern zügig gearbeitet. Insoweit musste ich auch lernen, dass es manchmal notwendig ist, den Stift mitten im Satz fallen zu lassen, wenn das Kind ruft. Natürlich gab es auch stressige oder müde Phasen, aber ich konnte zu dieser Zeit Familie und Promotion sehr gut unter einen Hut bekommen und hatte einen Ausgleich zum „Muttersein“, was mir auch wichtig war. Schwieriger gestaltet sich dann die Literaturrecherche, denn mit einem Baby kann man schlecht ständig ins Seminar gehen. Zum Glück hatte ich die Literatur bereits weitgehend gesammelt. Wenn etwas fehlte, habe ich es notiert und wenn ich einiges beisammen hatte, einen Tag in der Bibliothek verbracht, während meine Tochter bei den Großeltern war. Ich hatte großen Rückhalt in der Familie, die mich zusätzlich unterstützt hat.
Wie hast Du deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?
Ich habe mich bei meinen späteren Doktorvater Prof. Böse bereits im zweiten Semester als studentische Hilfskraft beworben und war seither bei ihm tätig. Dadurch kam ich schon früh in Kontakt mit Doktoranden und habe letztlich aus deshalb überhaupt schon früh über eine Dissertation nachgedacht. Da mich das Strafrecht immer noch am meisten interessierte und ich die sehr guten Bedingungen am Lehrstuhl von Prof. Böse kannte , lag es für mich auf der Hand, dass ich – wenn ich dafür geeignet wäre und er mich betreuen möchte – bei ihm promovieren wollte.
Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?
Im Schwerpunktseminar habe ich mit der hypothetischen Einwilligung im Strafrecht ein Thema aus dem Medizinstrafrecht behandelt, das mir sehr gut gefallen hat. Daher fragte ich Prof. Böse bei einem persönlichen Gespräch, ob er aus diesem Bereich nicht ein Thema für mich wüsste. Tatsächlich hatte er mit dem späteren Thema eine Idee, die mich augenblicklich fasziniert hat. Ich habe mir dann zunächst etwas Literatur dazu angeschaut und ihm bald darauf gesagt, dass ich das Thema gerne nähme. Das Thema hat sich im Laufe der Zeit kaum geändert. Allerdings hat der verfassungsrechtliche Teil doch mehr Raum eingenommen als ursprünglich geplant und mein Ergebnis war anders als ich ursprünglich dachte.
Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?
Mein Exposé habe ich anlässlich einer Bewerbung um ein Stipendium geschrieben. Es hat mir sehr viel gebracht:
1. Ich habe dadurch mein Vorhaben eingrenzen und erstmals beschreiben können. Zur Ordnung der Gedanken war das sehr wichtig, denn häufig liest man zu Beginn sehr viel, was einen insgesamt verwirren kann.
2. Das Exposé habe ich auch meinem Doktorvater vorgelegt. So konnte ich frühzeitig Rückmeldung erhalten, ob meine Arbeitsschritte so sinnvoll und der Gang der Untersuchung nachvollziehbar ist.
3. Ich konnte mich während der Arbeit immer wieder am Exposé orientieren und schauen, welches Kapitel als nächstes ansteht.
4. Man hat schon mal etwas „geschafft“ und sogar etwas zu Papier gebracht. Das gibt ein gutes Gefühl.
5. Und schließllich hat mir das Exposé als Teil der Bewerbung um das Stipendium einen finanziellen Zuschuss gebracht.
Im Übrigen bin ich bei meiner Habilitation ähnlich verfahren und habe dieselben Erfahrungen in ähnlicher Weise nochmals gemacht.
Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?
Bei meiner Dissertation habe ich Literatur noch kopiert und nach Alphabet sortiert abheftet. Das war im Nachhinein nicht ganz optimal, weil es viel Zeit kostete. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, papierlos zu arbeiten und scanne (bzw. lasse scannen). Die Literatur verwalte ich digital in Ordnern und kann sie viel schneller finden. Die erstellten pdfs können sogar Texte erkennen, wenn man innerhalb einer Quelle etwas sucht. Empfehlen kann ich außerdem Literaturdatenbanken zum Erstellen von Fußnoten und vom Literaturverzeichnis.
Welche Programme nutzt Du für die PDFs und als Literaturdatenbank?
Ich nutze den Adobe Acrobat Reader Pro. Damit kann man pdfs mit Texterkennung durchsuchbar machen.
Als Literaturdatenbank nutze ich Citavi. Ob das zu empfehlen ist, weiß ich endgültig erst, wenn es mit meiner Habil alles funktioniert.
Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?
Wenn ich ein Thema gefunden und grob gegliedert habe, schreibe ich kapitelweise. Innerhalb des Kapitels findet für einzelne Probleme immer eine spezielle Literaturrecherche statt und im Anschluss schreibe ich dazu. Selbstverständlich kommt es bei der Bearbeitung späterer Kapitel auch immer wieder zu Veränderungen. Als Ratschlag kann ich mitgeben, dass es zumindest mir immer sehr gut getan hat, „anzufangen“ und einfach mal etwas zu schreiben. Ob das am Ende stehen bleibt, ist freilich eine andere Frage, aber das weiße Blatt stört nicht mehr und man hat den ersten Schritt getan.
Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?
Ich hatte drei Korrekturleser, davon zwei Juristen, aber jeweils keine Wissenschaftler. Ich bin ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe, denn sie konnten mir manches Mal zeigen, wann ich mich unverständlich ausgedrückt hatte.
Wie hast Du Dich auf die Disputatio vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio und die Diskussion?
Für die Disputatio habe ich das Manuskript noch einmal gelesen und die wichtigsten Thesen ausgewählt. Außerdem habe ich mir die Anmerkungen der Gutachter angesehen und mir mögliche Verteidigungen gegen ihre Argumente überlegt. Nach einem Vortrag von zwanzig Minuten wurden mir auch tatsächlich Fragen gestellt, die auch zur schriftlichen Arbeit angemerkt worden waren.
Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess? Hast Du im Anschluss deine Dissertation vermarktet? Wie?
Ich habe mir schnell nach der Disputatio einen Verlag gesucht, aber bis zur Veröffentlichung noch eine Weile gewartet, weil ich mich noch um Druckkostenzuschusse bei verschiedenen Stiftungen beworben habe. Deshalb dauerte es noch ca. ein Jahr. Ich wollte wegen meiner wissenschaftlichen Ambitionen einen anerkannten und guten Verlag. Ich habe daher bei Nomos und bei DunckerHumblot Kostenvoranschläge eingeholt und das bessere Angebot ausgewählt. Für die Druckkostenzuschüsse habe ich im Internet in Stipendiendatenbanken u.ä. nach entsprechenden Förderungen gesucht und mich bei zweien beworben (mit den Gutachten zu der Diss und Lebenslauf etc.). Mit einer Förderung hat es dann auch tatsächlich geklappt, was mir 1000 Euro gespart hat. Die Vermarktung hat der Verlag übernommen. Er hat auch Rezensenten angeschrieben.
Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?
Unterstützt haben mich immer meine Familie, insbesondere mein Mann und natürlich mein Doktorvater. Bei Zweifeln im Inhaltlichen bin ich mehrmals zu ihm gegangen und habe um Rat gefragt.
Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?
Ich war während der Promotionsphase weiterhin am Lehrstuhl beschäftigt und hatte so die Möglichkeit mich mit den anderen Mitarbeitern auszutauschen.
Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?
Ich hatte ein Stipendium und habe zusätzlich wenige Stunden am Lehrstuhl gearbeitet. Das war ideal: Ich hatte viel Zeit für mein Promotionsprojekt. Auf der anderen Seite hatte ich aber den engen Kontakt zum Lehrstuhl und zu meinem Doktorvater.
Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?
Nein.
Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?
1. Schreibt zu einem Thema, das euch begeistert und von dem ihr ausgeht, dass ihr euch jahrelang damit beschäftigen wollt.
2. Investiert am Anfang etwas mehr Zeit in die Planung (betreffend Finanzierung, aber auch in Bezug auf Literaturverwaltung, Software etc.).
3. Lasst den Kopf nicht hängen, wenn es zwischendurch mal eine Durststrecke gibt!
Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?
Ohne Promotion wäre eine Habilitation nicht möglich. Auf dem von mir angestrebten Weg zur Professur war die Promotion daher unumgänglich.
Gelernt habe ich in dieser Zeit insbesondere, dass man sich in jedes Thema, und sei es noch so speziell, hineindenken kann. Die Promotionsphase hat mich gelehrt, dass ich mir sehr viel Expertenwissen aneignen kann und so auch selbst zum Experten werden kann. Das nimmt mir auch heute noch die Scheu vor neuen Themen.
Ich würde mich in jedem Fall wieder für eine Promotion entscheiden. Es war eine sehr schöne Zeit und mein Thema hat mich immer noch nicht losgelassen.
Ich würde nicht mehr mit einem mir bis dahin unbekannten Textverarbeitungsprogramm schreiben und nicht mehr kopieren, sondern scannen. Ansonsten würde ich alles wieder so machen.
Gibt es sonst noch etwas, was Du gerne sagen möchtest?
Genießt diese Zeit, wenn ihr euch dafür entscheidet!
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