Die Dissertation ist ein Langzeitprojekt, für das es in aller Regel keine Frist gibt. Während wir am Anfang noch hoch motiviert Stunde um Stunde mit der Arbeit an der Dissertation verbringen, kommt für die meisten von uns irgendwann eine Zeit, in der wir eigentlich keine Lust mehr haben, an unserem Thema zu arbeiten. Das Ende scheint noch in unendlich weiter Ferne zu liegen und jeder Schritt scheint so klein, dass er uns kaum voran bringt. Dazu kommen die vielen anderen Verpflichtungen, die scheinbar viel wichtiger und fast immer dringender sind. Schnell passiert es, dass man tage- oder wochenlang nicht an der Dissertation arbeitet. Dann wird das schlechte Gewissen größer und gleichzeitig baut sich ein innerer Widerstand auf, sich an die Dissertation zu setzen. Man müsste sich erst wieder einlesen, nachschauen, womit man aufgehört hat, überlegen, was der nächste Schritt war… und dafür wartet man besser, bis man mal einen ganzen Tag Zeit hat, sich in Ruhe mit der Dissertation zu beschäftigen – und so werden aus Tagen Wochen, in denen die Dissertation verwaist….
Eine Strategie, die mir dabei hilft, am Ball zu bleiben, ist die “heilige” Diss-Stunde. Das Konzept ist ganz einfach: an jedem (Werk-)Tag setze ich mich mindestens eine Stunde lang an die Diss und arbeite daran. Es ist ein fester Termin im Kalender und kann nur verschoben werden oder sogar ausfallen, wenn es wirklich keine andere Möglichkeit gibt. Schließlich ist sie “heilig”.
Es ist erstaunlich, wie viel man mit nur einer Stunde am Tag schaffen kann. Eine Stunde konzentrierter Arbeit reicht mit häufig schon, ein paar Quellen zu lesen, eine Gliederung zu erstellen oder ein paar Absätze zu schreiben. Vor allem aber hilft die eine Stunde dabei, nicht den Faden zu verlieren. Denn wenn man sich jeden Tag mit der Dissertation beschäftigt, taucht das Gefühl, erst mal wieder reinkommen zu müssen, gar nicht mehr auf.
Manchmal wird aus einer Stunde dann auch mehr, weil es gerade so gut läuft und man gar nicht merkt, dass die eine Stunde schon längst rum ist. Manchmal bereut man es, nach einer Stunde aufhören zu müssen, weil der nächste Termin ansteht oder eine der dringenden Aufgaben mit Druck von außen erledigt werden muss. Aber wenn man mit diesem Gefühl aufhören muss, ist die Motivation, an der Dissertation zu arbeiten, beim nächsten Mal gleich wieder größer.
Ich mache meine heilige Diss-Stunde immer morgens. Zum einen, weil ich ein Morgenmensch bin und das meine produktivste Zeit ist. Zum anderen, weil ich mich, wenn ich morgens direkt an der Diss saß, den Tag über immer wieder automatisch gedanklich mit dem aktuellen Thema auseinandersetze. Außerdem verhindere ich so, dass irgendwelche Aufgaben länger brauchen als gedacht und das zu Lasten meiner Dissertationszeit geht – sich abends die letzte Stunde noch einmal ran zu setzen, klappt zumindest bei mir nicht besonders gut und führt eher zu noch mehr Widerwillen. Mittlerweile bin ich sogar dazu übergegangen, die heilige Diss-Stunde zuhause am Schreibtisch zu machen statt dafür ins Büro zu gehen, weil ich dort ungestört bin und der Weg zur Arbeit so schon zur ersten Pause wird.
Die “heilige” Diss-Stunde eignet sich insbesondere dazu, wichtige inhaltliche Arbeit zu machen. Wenn ich entscheide, welche Arbeit ich für diese Zeit am besten vorsehe, hilft mir eine Überlegung, die Cal Newport in seinem Buch “Deep Work” (zu deutsch: “Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen” – generell empfehlenswert!) beschreibt: könnte ich die Arbeit an eine studentischen Hilfskraft abgeben? Das trifft auf jeden Fall auf Kopien zu, aber auch auf Fußnoten auffüllen und sprachliches Korrekturlesen. Diese Arbeiten kann man gut auch zwischendurch machen, dafür braucht man häufig keine ungestörte Arbeitszeit am Stück. Ich versuche, wann immer es geht, in der Zeit zu schreiben oder eine Gliederung zu machen oder Literatur zu lesen.
Vielleicht denkt ihr jetzt, dass ihr keine heilige Diss-Stunde unterbringen könnt. Aber versucht es mal und fangt vielleicht sogar nur mit dreißig Minuten an. Oder wenn ihr wirklich nicht jeden Tag an der Diss arbeiten könnt, nehmt vielleicht erst einmal nur bestimmte Wochentage. Ihr werdet sehen, schon das wird helfen.
Wie ist es bei euch? Habt ihr so etwas wie eine heilige Diss-Stunde? Welche Tricks helfen euch dabei, motiviert zu bleiben?