Biljana Solbach ist Rechtsanwältin im Bereich Capital Markets einer Großkanzlei in München. Zuvor hat sie in Bonn und Aarhus studiert, in Bonn promoviert und in Düsseldorf ihr Referendariat absolviert. Schon während unserer gemeinsamen Promotionszeit standen wir im regen, fruchtbaren Austausch, weshalb ich mich besonders freue, dass sie im Interview mit Dr. jur. heute über die Wichtigkeit frühen Schreibens und rigorosen Überarbeitens, hilfreiche Listen zur Arbeitsorganisation und ihren Forschungsaufenthalt an der LSE spricht.

Zu welchem Thema hast Du promoviert?

Der Titel meiner Dissertation lautet: Mittelbare Diskriminierung – Verfassungsrechtliche Kritik einer fragwürdigen Gleichheitskonzeption.

Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat?

Nach dem ersten Staatsexamen habe ich 2017 mit der Promotion begonnen. Mit Beginn des Referendariats im März 2020 habe ich meine Dissertationsschrift fertigstellen können. Das Promotionsverfahren, insbesondere die Vorbereitung auf die Disputatio sowie der Veröffentlichungsprozess, begleiteten mich noch in der ersten Hälfte des Referendariats.

Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit der Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?

Der Arbeitstitel meiner Dissertation „Das Konzept der mittelbaren Diskriminierung“ stand relativ früh fest. Dies hing mit dem damaligen Forschungsschwerpunkt meines Doktorvaters Prof. Dr. Christian Hillgruber zusammen, der als Prozessbevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland in Sachen Pkw-Maut unionsrechtlich zu diesem Thema geforscht und gearbeitet hatte. Insoweit war ein Arbeitstitel in Abstimmung mit meinem Doktorvater schnell gefunden. Anschließend begann ich mit der Literatursichtung, der Schwerpunktsetzung sowie der Erstellung einer Grobgliederung, die ich mit meinem Doktorvater, aber auch mit Lehrstuhlkollegen und Studienfreunden diskutierte und stetig weiterentwickelte.

Je länger ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto intensiver wurden die Lese- und Schreibphasen. Besonders intensiv konnte ich während meines Forschungsaufenthaltes im Herbst 2019 an der London School of Economics and Political Science (LSE) an der Dissertation arbeiten.

Zu Beginn des Referendariats im März 2020 habe ich meinem Doktorvater eine erste vollständige Fassung vorgelegt. Diese habe ich dann während des Referendariats überarbeitet und zur Veröffentlichungsreife gebracht. Die Disputatio fand in der ersten Hälfte des Referendariats statt, nur wenige Monate nachdem ich meine Fassung meinem Doktorvater vorgelegt hatte.

Persönlich habe ich großen Wert darauf gelegt, meinem Doktorvater zu Beginn meines Referendariats einen vollständigen Dissertationsentwurf als Diskussionsgrundlage vorlegen zu können. Sein Feedback habe ich zum Anlass genommen, die Dissertationsschrift zu überprüfen und zu überarbeiten. Nach ca. sechs Monaten im Referendariat habe ich dann die Endfassung offiziell eingereicht und nach einer kleinen Verschnaufpause mit der Vorbereitung auf die Disputatio begonnen. Innerhalb des ersten Jahres im Referendariat war das Promotionsverfahren dann vollständig abgeschlossen und die Veröffentlichung stand an.

Wie hast Du Deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?

Meinen Doktorvater kannte ich aus einer Vorlesung im Schwerpunktbereichsstudium. Ich habe ihm dann unter Bezugnahme auf die Vorlesung eine E-Mail geschrieben. Darin habe ich erwähnt, dass ich gerne zu einem Thema promovieren würde, das mit seinen Forschungsschwerpunkten und den Inhalten der Vorlesung zu tun hat. Wir haben uns dann für ein Gespräch getroffen. Einen konkreten Themenvorschlag hatte ich da noch nicht, aber was sehr geholfen hat, war, dass ich ein paar Bereiche klar ausschließen konnte und andere Bereiche hatte, die mich interessiert haben.

Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?

Ich habe sehr davon profitiert, dass mein Doktorvater ein breites Forschungsprofil hat, also sowohl im Unionsrecht als auch im Verfassungs- und Verwaltungsrecht wissenschaftlich tätig ist und wir uns von einer Vorlesung kannten. Gerade zu Beginn meiner Promotion konnte ich einfach mit einer groben Idee auf ihn zukommen und gemeinsam mit ihm filtern. Bei der anfänglichen Suche nach einer ersten groben Idee habe ich versucht, mir immer vor Augen zu halten, dass ich Jahre meines Lebens investiere. Hier hat mir eine offene Kommunikation geholfen. Mein Doktorvater wusste sofort, dass ein kontroverses Thema zu meiner Person und meinen Forschungsinteressen passt und ich hier den größten wissenschaftlichen Mehrwert leisten kann.

Die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung ist im angloamerikanischen Rechtsraum und im Unionsrecht fest verankert und recht gut erforscht. Ich wollte das Thema aus verfassungsrechtlicher Sicht beleuchten. Die Schwerpunkte meiner Arbeit ergaben sich aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG sowie dem Stand der Rechtsprechung und Literatur hierzu. Meine Arbeitshypothese war zunächst, dass die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung auch im Grundgesetz fest verankert ist. Aufgrund der wissenschaftlichen Auseinandersetzung musste ich meine Arbeitshypothese revidieren und sehe die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch. Insofern hat sich zwar nicht mein Thema oder mein Arbeitstitel geändert, wohl aber meine wissenschaftliche Perspektive darauf.

Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?

Ja, ich habe mich für ein Promotionsstipendium beworben und musste dafür ein Exposé schreiben. Das war für mich die erste Gelegenheit, mein Thema zu strukturieren und meine Gedanken niederzuschreiben, aber auch deutlich zu machen, wo die Forschungslücke liegt und welchen Beitrag mein Promotionsvorhaben zum wissenschaftlichen Diskurs leisten kann. Rückblickend war dies ein zentraler Grundstein, auf dem meine Arbeit aufbaute, auch weil ich das Exposé in der frühen Phase als Diskussionsgrundlage mit meinem Doktorvater nutzen konnte. Daher kann ich jedem raten, zu Beginn der Promotion ein Exposé zu schreiben.

Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?

Für mich war die größte Herausforderung bei der Recherche, mich nicht in der Fülle der Literatur zu verlieren, sondern prägnant zu bleiben und Schwerpunkte zu setzen. Ich habe mich immer von der Frage leiten lassen, ob es im Kern etwas mit meinem Thema zu tun hat oder nur am Rande. Ich habe viel ausgedruckt und mit Ordnerstrukturen gearbeitet. Ich habe auch ein Notizbuch geführt. Das würde ich heute aber nicht mehr so machen. Insbesondere die Literaturverwaltung würde ich heute digitaler gestalten.

Ich hatte immer ein Notizbuch dabei, um meine Gedanken aufzuschreiben. Organisatorisch habe ich darin viel mit drei Listen gearbeitet, die ich selbst erstellt und verwaltet habe:

  1. Literaturliste (das war eine Auflistung von Rechtsprechung und Literatur, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin und die ich mir anschauen wollte)
  2. Fragenliste (hier waren Fragen aufgelistet, die sich mir bei der Recherche stellten)
  3. To-Do-Liste (Hier habe ich mir selbst Arbeitsaufträge gegeben, z.B. bestimmte Absätze umstrukturieren, Fußnoten überprüfen oder einen Aufsatz besorgen).

Mein Tipp ist, die Rechercheergebnisse so früh wie möglich niederzuschreiben, aber auch bei der Überarbeitung entsprechend rigoros zu sein.

Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?

Durch das Exposé, das ich zu Beginn meines Doktoratsstudiums geschrieben habe, hatte ich beim Schreiben etwas, worauf ich zurückgreifen konnte, und saß nie vor einem leeren Blatt. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe immer versucht, mir ein paar Tage am Stück zum Schreiben zu nehmen, um mich zu vertiefen und mich besser fokussieren zu können. Ich habe mir also Tage frei gehalten, an denen ich nicht am Lehrstuhl gearbeitet habe, um schreiben zu können. Das Schreiben war für mich aber auch immer mit Recherche verbunden. Nachdem ich mich in das Thema eingearbeitet hatte, habe ich mit dem Schreiben begonnen und auf dieser Basis weiter recherchiert. Ich finde es wichtig, so früh wie möglich zu strukturieren und zu schreiben.

Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?

Am Anfang hat man nur die Seitenzahl als Fortschrittsindikator. Deshalb habe ich versucht, viel zu schreiben. Umso wichtiger war es für mich, immer wieder kritisch zu prüfen, ob das Geschriebene den Kern des Problems trifft und Überflüssiges zu streichen. Eine Freundin und mein Ehemann haben meine Dissertation am Ende sprachlich Korrektur gelesen. Die inhaltliche Prüfung auf Stringenz und Kohärenz hat mein Doktorvater im Rahmen des Betreuungsverhältnisses übernommen. Beides hat meiner Arbeit sehr gut getan.

Wie hast Du Dich auf die Disputatio vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio und die Diskussion?

Ausschnitt aus dem Thesenpapier

Bei der Überarbeitung der Dissertationsschrift habe ich bereits meine Thesen formuliert und kurz vor der Disputatio ein Schaubild mit meiner Kapitelzusammenfassung und meinen Thesen erstellt. Auf dem Schaubild hatte ich für die Absätze von Art. 3 eigene Balken, die jeweils mit Pfeilen mit verschiedenen Unterpunkten verknüpft waren. Anhand dieser Punkte habe ich dann die Auslegungsweise in Bezug auf mein Thema dargestellt. Meine Thesen und das Schaubild habe ich einer Freundin vorgestellt. Meine Disputatio fand aufgrund von Corona digital statt, was ich sehr schade fand. Mir persönlich hat die Disputatio sehr viel Spaß gemacht.

Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess? Hast Du im Anschluss deine Dissertation vermarktet? Wie?

Der Publikationsprozess nahm einige Monate in Anspruch. Die Vermarktung hat weitgehend der Verlag übernommen. Ich selbst habe meine Dissertation nicht aktiv vermarktet.

Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?

Das Interesse an meinem Thema und die gesellschaftliche Relevanz haben mich immer motiviert, dran zu bleiben. Außerdem habe ich auf genügend Freizeit als Ausgleich geachtet. Von meinem Mann und meinen Freunden habe ich viel Zuspruch und Unterstützung erhalten, vor allem wenn ich mal eine Durststrecke hatte.

Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?

Ich hatte kein festes Forum oder einen Studienkreis, aber ich hatte genügend Ansprechpartner im Freundeskreis, am Lehrstuhl und im Stipendiatenumfeld, die mich unterstützt haben.

Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?

Zunächst arbeitete ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesamt für Justiz. Als am Lehrstuhl meines Doktorvaters eine Stelle frei wurde, wechselte ich dorthin. Gleichzeitig habe ich mich um ein Promotionsstipendium beworben. Als ich das Stipendium bekam, konnte ich meine Stunden am Lehrstuhl reduzieren, arbeitete aber weiter. Die wertvollen Erfahrungen, die ich im Bundesamt für Justiz und am Lehrstuhl meines Doktorvaters gesammelt habe, möchte ich nicht missen. Allerdings war das Stipendium eine große finanzielle und zeitliche Entlastung und das Förderprogramm eine enorme Bereicherung, sodass diese Kombination für mich genau richtig war.

Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?

Ja, ich habe einen Forschungsaufenthalt an der London School of Economics and Political Science (LSE) absolviert, der mich sehr weitergebracht hat. Das Thema ist in der britischen und angloamerikanischen Rechtswissenschaft sehr präsent, sodass meine Betreuer interessante Impulse gegeben haben und interessante Literatur zur Verfügung stand. Außerdem habe ich das Angebot der dortigen Graduiertenschule genutzt.

Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?

  1. Der Schlüssel zum Erfolg ist das Thema, in das man Jahre seines Lebens investiert. Choose carefully  😉
  2. Beginne so früh wie möglich mit dem Schreiben.
  3. Unterschätze den Überarbeitungsaufwand nicht und nimm die Überarbeitungsschleifen sehr ernst.

Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast Du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?

Während der Promotion habe ich gelernt, große Projekte zu strukturieren, sauber zu recherchieren, Argumente zu entwickeln, kritisch zu reflektieren und überzeugend zu schreiben. Das ist in meinem Beruf als Rechtsanwältin sehr wichtig. Eine Dissertation zu schreiben ist etwas anderes als eine Klausur zu schreiben, in der es darum geht zu zeigen, dass man etwas gelernt hat und anwenden kann. Ich blicke durchweg positiv auf meine Promotionszeit zurück. Allerdings würde ich noch mehr Konferenzen besuchen und die Gelegenheit nutzen, mein Dissertationsprojekt vorzustellen.

Gibt es sonst noch etwas, was Du gerne sagen möchtest?

Die Promotion erfordert viel selbstständiges Arbeiten. Den Denk- und Schreibprozess kann einem niemand abnehmen. Aber meiner Erfahrung nach steigt die Qualität der Arbeit, wenn man den Austausch mit dem Doktorvater, Kollegen und anderen Doktoranden sucht. Geht auf Konferenzen und versucht auch mal einen Artikel zu veröffentlichen, damit ihr schon mal einen wissenschaftlichen Beitrag geschrieben habt und den Publikationsprozess kennenlernt. Macht das Beste daraus. Viel Glück und toi toi toi!


Liebe Biljana, vielen Dank für das spannende Interview!


Wenn du mehr dazu wissen möchtest, wie ein Forschungsaufenthalt am anderen Ende, nämlich zu Beginn der Promotion hilfreich sein kann, lies das Interview mit Susanne Gössl.

Mehr Tipps dazu, wie man Notizen und Literatur digital organisieren kann, findest du in den Beitragsreihen zu One Note, Citavi und Literaturverwaltung ohne Programm.