An der Universität Bonn gibt es im Rahmen der Graduiertenschule Arbeitsgruppen, bei denen sich Doktoranden treffen und eine Person einen Vortrag über das eigene Promotionsprojekt hält. Das vorhersehbare Problem ist immer wieder, dass die Doktoranden nicht den Sinn darin sehen, einen Vortrag zu halten. Oder vielmehr, dass sie zwar den Sinn sehen, aber es trotzdem zu viel Aufwand scheint, einen Vortrag vorzubereiten. Ich glaube dagegen, dass sich der Aufwand fast immer lohnt, in jeder Phase der Dissertation. Im heutigen Beitrag möchte ich euch ein paar Gründe nennen, warum es eine gute Idee ist, einen Vortrag über die eigene Dissertation zu halten.

Persönlich habe ich bereits drei Mal einen Vortrag über meine Dissertation gehalten. Das erste Mal vor meinem Doktorvater und den Kollegen vom Lehrstuhl, etwa ein Dreivierteljahr nach Beginn der Promotionsphase; das zweite Mal auf Englisch während meines Forschungsaufenthalts am Max-Planck-Institut in Luxemburg, etwa ein halbes Jahr später; und das dritte Mal ein weiteres halbes Jahr später in der Arbeitsgruppe der Zivilrechtsdoktoranden. Und jeder dieser Vorträge hat mich wirklich weiter gebracht für meine Dissertation.

Natürlich bedeutet so ein Vortrag auch viel Aufwand. Entweder es muss ein geeigneter Teilbereich des Dissertationsthemas ausgewählt oder eine Möglichkeit gefunden werden, das ganze Thema überblicksartig darzustellen. Das Erstellen einer Präsentation und eines Handouts nimmt ebenfalls viel Zeit in Anspruch, ebenso wie das Üben und das eigentliche Halten. Dieser Aufwand sollte nicht unterschätzt werden. Deshalb ist es für den Fortschritt der Dissertation vermutlich nicht hilfreich, alle paar Wochen einen neuen Vortrag zu halten. Dennoch hat es sich für mich bisher immer gelohnt, den Aufwand zu betreiben.

Den Überblick bekommen – und behalten

Ähnlich wie ein Exposé kann ein Vortrag über das eigene Promotionsthema dazu dienen, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie das Thema allgemein aufgebaut ist, welche einzelnen Problemfelder es gibt und wie der Meinungsstand ist. Um das Dissertationsthema zu erklären, muss zunächst immer die Forschungsfrage konkret herausgearbeitet werden. Je nach Zeitpunkt des Vortrags folgt dann die Darstellung der eigenen Vorgehensweise oder erster Ansätze, um das Thema zu bearbeiten, oder schon der eigenen Thesen für die Lösung des zugrundeliegenden Problems. Gerade am Anfang einer Promotion kann es sehr hilfreich sein, das Thema anderen komplett zu erklären, um selbst herauszufinden, wo noch Unklarheiten sind. Aber auch in der Mitte und am Ende hilft ein Vortrag, die Vogelperspektive einzunehmen und das Thema noch einmal komplett zu überblicken. Das führt dann auch noch einmal vor Augen, wofür der kleine Teilbereich, an dem man gerade arbeitet, insgesamt eigentlich dient.

Für mich war der erste Vortrag vor dem Lehrstuhl unheimlich hilfreich, weil ich davor Monate damit verbracht hatte, mir die Grundlagen der Brüssel Ia-VO detailliert anzuschauen und über Geschichte, Zweck und allgemeinen Aufbau des Vertragsgerichtsstands zu recherchieren und nachzudenken – das war aber alles nicht Kernthema meiner Dissertation und taucht in der Form heute auch gar nicht mehr wirklich auf. Durch den Vortrag habe ich mich wieder besser auf das eigentliche Thema besonnen, die verschiedenen Meinungen sortiert und mit ihren Argumenten dargestellt und die relevanten Fallgruppen herausgearbeitet. Das hat nicht nur dazu geführt, dass ich wieder näher an meinem Kernthema war, sondern auch enorm motiviert.

Einzelne Fragen und Probleme konkret bearbeiten und Thesen austesten

Aber auch das Gegenteil einer Überblicks kann hilfreich sein: In jeder Dissertation gibt es ein paar Knackpunkte, an denen die wesentlichen Weichen gestellt werden. Manchmal tut es gut, diese separat zu behandeln und losgelöst von der Forschungsfrage zu betrachten. Der zeitweilige Fokus auf eine konkrete Frage führt dazu, dass diese wirklich in der Tiefe durchdrungen werden kann. Ein Vortrag kann dann auch dazu zwingen, eine eigene These für die Frage zu entwickeln, statt nur darzustellen. Selbst wenn die Idee als solche nicht neu ist, kommt es vor, dass erst der Zwang des Vortrags dazu führt, dass man diese Idee tatsächlich ausformuliert und damit auch für sich selbst greifbar macht.

Anderes Medium – andere Ideen

Ein großer Vorteil davon, einen Vortrag zu halten, ist, dass man sich eines anderen Mediums bedient. Nicht nur, dass etwas mündlich vor einem konkreten Publikum erklärt werden muss, dazu werden häufig auch noch visuelle Hilfsmittel verwendet. Darüber nachzudenken, wie etwas mündlich erklärt oder visuell dargestellt werden kann, ist eine neue Perspektive auf das Thema und führt häufig zu neuen Ideen.

Bei mir war es zum Beispiel so, dass ich in meinem zweiten Vortrag erste Ideen dazu präsentieren wollte, welche zugrundeliegenden Prinzipien für die Lösung meiner Forschungsfrage eine Rolle spielen. Gedanken dazu schwirrten mir schon seit geraumer Zeit im Kopf herum, aber während ich an der Erstellung der Powerpoint-Präsentation saß und versuchte, die Rolle der einzelnen Prinzipien darzustellen, wurde für mich erst greifbar, wie ich zwischen den einzelnen Prinzipien in Bezug auf verschiedene Meinungen differenzieren musste.

Ein ähnlicher Effekt kann auftreten, wenn man auf einer anderen Sprache über sein Thema schreibt oder spricht.

Feedback und Input bekommen

Alles, was ich bis hierher erwähnt habe, tritt schon in der Vorbereitungsphase ein. Selbst wenn man aus irgendwelchen Gründen den fertig vorbereiteten Vortrag am Stichtag nicht halten kann, hätte man schon einen neuen Blick auf das Thema. Durch den Vortrag selbst bekommt man aber erstes Feedback zu den herausgearbeiteten Fragen und eigenen Ideen.

Feedback von anderen ist während der Promotion eher rar gesät, vor allem, solange man noch keinen Text hat, den man anderen zu lesen geben kann. Wir bearbeiten oft ein derartiges Spezialthema, dass wir nur mit wenigen darüber sprechen können. Je nachdem, wie intensiv die Betreuung ist, bekommt man zumindest von Betreuer*in mehr oder weniger ausführliches Feedback, aber das ist immer nur die Sicht einer weiteren Person. In einem Vortrag kann man mehr Feedback von vielen Personen bekommen – nicht nur zu eigenen Ideen, sondern auch dazu, welche Stellen besonders schwierig zu erklären sind und wie viel Wissen vorausgesetzt werden kann.

Mein Ziel bei meinem dritten Vortrag war es zum Beispiel, herauszufinden, ob die Gedanken, die ich mir zum Prinzip der Konzentration gemacht hatte, nachvollziehbar sind. Ich hatte noch nicht damit angefangen, den eigentlichen Text für meine Dissertation zu schreiben, und wollte vorher austesten, ob die Ideen zur Konzentration und der Aufbau, der mir vorschwebte, grundsätzlich nachvollziehbar sind. Das Feedback, das ich bekommen habe, hat mir nicht nur geholfen, manche Stellen noch einmal genauer zu überdenken, sondern vor allem Selbstbewusstsein und Vertrauen in diese Ideen gegeben.

Für die Disputation üben

An vielen Fakultäten steht am Ende der Promotion ein 20-30-minütiger Vortrag über das Promotionsthema mit anschließenden Fragen, die Disputatio(n). Ganz nach dem Motto “Übung macht den Meister” fällt es leichter, diesen Vortrag zu halten, je öfter man schon über die Dissertation gesprochen hat. Es erleichtert die Vorbereitung und hilft gegen Nervosität und Unsicherheit.


Habt ihr schon mal einen Vortrag über eure Dissertation gehalten? Was habt ihr dabei gelernt? Habt ihr vor, künftig einen Vortrag zu halten?

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