Die Überarbeitung des einmal geschriebenen Texts kann zu verschiedenen Zeitpunkten relevant sein. Viele Doktorand*innen legen eine erste Überarbeitungsrunde ein, nachdem sie ein Kapitel oder einen längeren Abschnitt geschrieben haben. Ganz besonders dann, wenn die einzelnen Kapitel der betreuenden Person für ein erstes Feedback geschickt werden. Außerdem sollte man die Dissertation mindestens einmal auch im Gesamtzusammenhang überarbeiten. Häufig spielen dann auch Korrekturleser*innen oder das Feedback der betreuenden Person nach einer “Vorabgabe” eine wichtige Rolle.
Wie viel man tatsächlich überarbeitet, hängt in großem Maße vom Schreibtyp ab. Es gibt Menschen, die bereits beim ersten Schreiben viel Zeit darauf verwenden, über die einzelnen Sätze und Absätze nachzudenken. Andere – zu dieser Gruppe gehöre zum Beispiel ich – schreiben lieber erst einmal darauf los, produzieren schnell viel Text und müssen dann mehr Zeit in die Überarbeitung investieren. Außerdem kommt es natürlich auch darauf an, wie viel (wissenschaftliche) Schreiberfahrung man schon gesammelt hat und auf den konkreten Inhalt – manche Passagen schreiben sich wie von selbst und können dann so bleiben, bei anderen dauert es eine Weile, bis man die richtige Reihenfolge oder die richtige Formulierung gefunden hat.
Meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll, die Überarbeitung in mehrere Runden aufzuteilen. Versucht man, alles auf einmal zu überarbeiten, kann das schnell überfordern und den Prozess insgesamt länger machen. Für mich hat sich die Aufteilung in Inhaltliches, Stilistisches und Formales bewährt. Wenn mir schon in der ersten Runde Formales oder Stilistisches aufgefallen ist, habe ich das entweder – sofern es schnell ging – sofort geändert oder die Stelle nur markiert, ggf. mit einer kurzen Randnotiz. So konnte ich gedanklich bei der jeweiligen Runde bleiben und trotzdem ist nichts verloren gegangen.
Runde 1: Inhaltliches
In einer ersten Überarbeitungsrunde sollte man sich auf Inhaltliches fokussieren. Dazu gehört zunächst der Aufbau des Kapitels oder Abschnitts: ist dieser logisch und verständlich? Bauen die einzelnen Argumente sinnvoll aufeinander auf? Idealerweise hat man sich bereits vor dem Schreiben zumindest ein paar Gedanken zur Gliederung gemacht, aber wenn man die Passagen einmal geschrieben hat, hat man einen anderen Blick dafür.
Bei der inhaltlichen Überarbeitung sollte man auch bei jedem Schritt kritisch überdenken, ob die Argumentation überzeugend ist. Sind alle notwendigen Zwischenschritte und Vorüberlegungen ausreichend erklärt? Sind auch mögliche Gegenargumente aufgeführt und entkräftet? Zu diesem Schritt gehört auch, sich zu überlegen, ob wirklich alle Inhalte notwendig sind. Braucht man sie für die jeweilige These? Erst wenn man mit dem Inhalt im Großen und Ganzen zufrieden ist, macht es Sinn, zu stilistischen und formalen Fragen überzugehen.
Runde 2: Stilistisches
Doktorand*innen sollten nicht unterschätzen, wie wichtig ein guter Schreibstil für die Dissertation ist. Nur wenn die Gedanken verständlich und klar übermittelt werden, können sich Lesende wirklich damit auseinandersetzen. Wenn es hingegen mühsam ist, sich durch den Text zu arbeiten, werden Lesende vielleicht lieber abbrechen, mindestens aber dem Text mit negativem Gefühl gegenüberstehen. Oberstes Gebot sollte daher die Verständlichkeit sein, dicht gefolgt von einfachem Lesefluss. Zur Kür gehört es dann, den Text so zu überarbeiten, dass er auch “schön” wird.
In dieser Überarbeitungsrunde kann es hilfreich sein, sich in einem Lesedurchgang zunächst nach Passagen zu suchen, bei denen man direkt ein unangenehmes (Lese-)gefühl bekommt. Außerdem kann man sich typische Probleme heraussuchen, zum Beispiel “Bandwurmsätze”, Substantivierungen und Passiv-Konstruktionen. Wenn man diese Passagen markiert hat, kann man sie dann Schritt für Schritt durchgehen und möglichst ausmerzen. Das wird nicht in 100% der Fälle funktionieren, aber wenn sie nur noch in geringem Umfang vorkommen, ist das bereits ein großer Gewinn für den Text.
Runde 3: Formales
In einer letzten Runde gilt es, den Text auch formal auf Stand zu bringen. Manche Doktorand*innen neigen dazu, im Zeitdruck Formalia zu vernachlässigen. Ich halte das aber für gefährlich: wenn die Formalia nicht stimmen, leidet nicht nur der Gesamteindruck, sondern sie können auch beim Lesen stören. Und spätestens für die Veröffentlichung muss Formales ohnehin gemacht werden.
Zu den Formalia im weiteren Sinne gehört alles, was man im ersten und zweiten Schritt noch nicht korrigiert hat. Dazu gehören Rechtschreibung, Zeichensetzung, Zitierstil, Formatierung und das Vereinheitlichen von Abkürzungen (zB oder z.B. oder z. B. oder zum Beispiel?). Die dritte Runde dient aber auch dazu, noch einmal einen Gesamtüberblick zu bekommen und noch einmal alle Änderungen aus Runde 1 und 2 noch einmal zu überprüfen.
Für mich persönlich hat die Überarbeitung der Fußnoten in diesem Schritt vermutlich den größten Raum eingenommen – und das, obwohl mir Citavi schon einen großen Teil der Arbeit abgenommen hat. Es geht nicht nur darum, das die Quellen richtig zitiert werden, sondern auch die Trennzeichen zwischen einzelnen Quellen müssen einem System folgen und am Ende jeder Fußnote muss ein Punkt stehen. Es kann auch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis man Textteile, zum Beispiel um Meinungen voneinander abzugrenzen, in den Fußnoten so eingefügt hat, dass sie knapp und dennoch verständlich sind.
Bonus-Runde: Lesen
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, nach diesen Überarbeitungsrunden ganz am Ende die gesamte Dissertation noch einmal von vorne bis hinten möglichst am Stück aufmerksam zu lesen, ohne ein konkretes Ziel oder einen konkreten Fokus zu haben. Dabei fallen häufig noch kleinere und größere Sachen auf, die man noch eben schnell anpasst. Für mich war es aber auch ein gutes Mittel, meine Nerven zu beruhigen und mich zu vergewissern, dass jedenfalls keine größeren Schnitzer mehr drin sind und ich guten Gewissens abgeben kann.
Fertig werden
So wichtig die Überarbeitung auch ist, man sollte dabei nicht aus dem Blick verlieren, dass es noch wichtiger ist, fertig zu werden. Frei nach dem Motto “don’t let perfect be the enemy of good” kommt irgendwann der Punkt, an dem man sich entscheiden muss, dass das Werk gut genug ist, um es (vor-)abzugeben. Wem es schwer fällt, diesen Punkt zu erkennen oder sich zufrieden zu geben, sollte sich eine Frist setzen. Das gilt ganz besonders dann, wenn man schon alle drei Runden (und evtl. die Bonus-Runde) schon durchlaufen hat und jetzt nur noch an Kleinigkeiten feilt. Alles was an Kleinigkeiten nach der Frist nicht gemacht wurde, ist dann eben nicht gemacht. Und es ist ein großartiges Gefühl, die Dissertation einfach abzuschließen.