Ich neige dazu, nach dem Erstellen einer Gliederung erst einmal mehr oder weniger unsortiert drauf los zu schreiben. Das hat den großen Vorteil, dass ich relativ schnell viel Text produziere, ohne zu lange grübeln zu müssen, was mich motiviert, und dass meine Gedanken erst einmal fixiert sind. Der Nachteil ist, dass viel Überflüssiges im Text landet und die Gedankenführung häufig sehr durcheinander und nicht stringent ist.

Bei mir persönlich hat dieses Vorgehen – neben anderen Faktoren – dazu geführt, dass ich nach etwa zweieinhalb Jahren Arbeit an meinem Thema mit dem Schreiben noch einmal von vorne angefangen habe. Zu diesem Zeitpunkt waren mir meine wesentlichen Ergebnisse und Argumente schon sehr bewusst, auch wenn ich nicht behaupten könnte, mit allen Überlegungen am Ende gewesen zu sein und sie in den letzten Monaten nur noch heruntergeschrieben zu haben.

Beim Neuanfang habe ich eine Herangehensweise entwickelt, die ich als “thesenbasiertes Schreiben” bezeichne. Ich habe mir für jeden Abschnitt zunächst die Kernergebnisse überlegt. Dabei bin ich von Groß nach Klein gegangen: ich habe mir das wesentliche Ergebnis jedes Teils, dann jedes Kapitels, dann jedes Abschnitts überlegt. Ich habe dieses Ergebnis schon möglichst konkret als These formuliert. Dann habe ich mir überlegt, welches die wesentlichen Argumente sind, die ich brauche, um diese These überzeugend darzustellen. Diese wesentlichen Argumente sind selbst meist auch thesenartig, ich habe sie also ebenfalls als Thesen formuliert und in eine Liste aufgenommen. Für diese Unter-Thesen bin ich dann ebenso vorgegangen, bis ich auf einer Ebene war, wo ich in Einzelargumente, Beispiele und Vergleiche gehen musste. Dann habe ich die Thesen in eine Reihenfolge gebracht, die mir sinnvoll erschien. Erst dann habe ich den eigentlichen Text ausformuliert.

Indem ich das Ergebnis des Schreibens gedanklich an den Anfang gestellt habe, auch wenn es in der geschriebenen Fassung nicht immer vorweggenommen wird, konnte ich beim Schreiben schon viel genauer sortieren, was wirklich nötig für das Ergebnis ist, und das präzise darstellen. Ich konnte mit Blick auf das Ergebnis argumentieren. Die Gefahr dabei ist, unausgewogen darzustellen, um möglichst “einfach” zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Dagegen half mir, dass ich die Gegenargumente in meiner ersten Schriftfassung schon einmal alle aufgelistet hatte. Manche Thesen waren auch anhand der (antizipierten) Gegenargumente aufgebaut, etwa war eine These, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht der Zuständigkeitsgerechtigkeit widerspricht. Das half mir, Gegenargumente nicht aus dem Blick zu verlieren.

Natürlich war auch diese thesenbasiert geschriebene Fassung bei weitem nicht im ersten Entwurf perfekt. Aber ich habe bei der Überarbeitung gemerkt, dass sie schon deutlich besser war, als alles, was ich davor geschrieben hatte. Und das nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch war ich mit dieser Vorgehensweise näher am Monografiestil und weg von lehrbuchartigen Darstellungen oder gar dem Gutachtenstil.

Bei der Überarbeitung und insbesondere beim Kürzen der Stellen, die ich doch aus meiner ersten Schriftfassung übernommen hatte, hat mir auch das thesenbasierte Vorgehen geholfen: ich habe jeweils überlegt, welche These ich mit dem Abschnitt stützen möchte und welches Wissen oder welche Argumente zur Unterstützung der These wirklich nötig oder zumindest hilfreich ist.

Thesenbasiertes Vorgehen in diesem Sinne bedeutet natürlich nicht, dass die einmal vorformulierte These zwingend gleich bleibt. Ich habe mehr als einmal gemerkt, dass ich die These nicht oder jedenfalls nicht in der Fassung überzeugend vertreten kann. In diesen Fällen habe ich sie entsprechend angepasst und überprüft, welche Argumente ich zusätzlich oder stattdessen noch brauche. Gerade weil ich die These vorformuliert habe, ist mir früher aufgefallen, dass sie mich doch nicht (mehr) überzeugt, und ich konnte frühzeitig meine Argumentation anpassen, ohne mehrfach umschreiben zu müssen. Thesenbasiertes Vorgehen gibt keinen strengen Fahrplan vor, sondern nur eine grobe Richtung. Auch 180-Grad-Wendungen sind nicht ausgeschlossen.


Schreibt ihr auch thesenbasiert oder habt ihr ein anderes Vorgehen?

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