In der vergangenen Woche hatte ich einen kleinen Durchhänger. Das (momentan) letzte inhaltliche Problem in meiner Dissertation schwirrte mir schon seit ein paar Wochen im Kopf herum, letzte Woche war es endlich so weit, dass ich mich wirklich darum kümmern musste. Schon in der Woche davor hatte ich versucht, eine Lösung zu formulieren, die mir aber nicht gefiel und die ich wieder verwarf. Letzte Woche war dann nur noch diese eine Stelle übrig, die ich schreiben musste. Am Montag dachte ich noch, das Problem endlich gelöst zu haben. Am Dienstag musste ich feststellen, dass dem nicht so war. Und am Mittwoch schien es mir, als gäbe es keine Lösung und ich müsste das Handtuch werfen. Natürlich hat mich das ziemlich frustriert und demotiviert. Aber es hat mir auch Inspiration geliefert, um ein paar Strategien zu sammeln, wie man mit solchen Problemen umgehen kann.
- Eine Pause machen: Manchmal kann Stress und Erschöpfung der Grund sein, dass man an einer Sache nicht weiterkommt. Dann hilft es, einfach mal eine Pause zu machen. Das kann bedeuten, fünf Minuten nach draußen zu gehen und frische Luft zu schnappen. Gerade Bewegung ist gut für Denkanstöße. Es kann aber auch ein Nachmittag oder sogar ein ganzer Tag sein. Als Doktorand*in ist man meist in der schönen Lage, sich seine Zeit selbst einteilen zu können. Und dann ist so eine Pause eine gute Möglichkeit, weil es sich entspannt häufig viel leichter weiterarbeiten lässt.
- Eine “fleißige Pause” machen: Vielleicht ist eine richtige Pause aber auch gerade nicht drin. Vielleicht ist der Zeitdruck schon groß, oder das eigene Gewissen lässt es nicht zu, sich die freie Zeit zu gönnen. (Zumindest wenn es um mehrere Stunden geht – ganz ehrlich, eine halbe Stunde Pause sollte man sich immer gönnen können.) In dem Fall kann auch eine “fleißige Pause” helfen, Abstand zu gewinnen und den Kopf wieder frei zu kriegen. Unter “fleißige Pause” verstehe ich, sich einer anderen Aufgabe zu widmen. Das kann eine andere Baustelle an der Dissertation sein, vor allem, wenn es da nicht um inhaltliche Fragen, sondern um Fleißarbeiten geht. Kopieren bzw. scannen ist eine gute Möglichkeit dafür, aber auch Fußnoten auffüllen oder kontrollieren. Es können aber auch andere Aufgaben sein, zum Beispiel für den Nebenjob oder Organisatorisches oder der Haushalt. Aufgaben, die auch irgendwann gemacht werden müssen. Wenn man dann ein paar Stunden oder auch Tage etwas Anderes gemacht hat, kann man sich wieder mit frischem Kopf dem inhaltlichen Problem zuwenden.
- Drüber reden: Gut für einen neuen Blickwinkel ist es, über das Problem zu reden. Dafür braucht man noch nicht einmal einen Zuhörer, es kann schon hilfreich sein, sich nicht nur Gedanken zu machen, sondern laut zu sprechen. Und wenn man dann noch einen Gesprächspartner hat, der Fragen stellt, auch wenn er nicht unbedingt juristisch vorgebildet ist oder von dem Rechtsgebiet nicht viel Ahnung hat, hilft das auch, den ein oder anderen Knoten zu lösen. Besonders hilfreich ist diese Strategie, wenn man zu den “Diskussionsdenkern” gehört (Danke, Jasmin, für diesen Begriff!), also zu der Sorte Menschen, die am besten beim Reden Lösungen entwickeln können. Manchmal hilft es aber auch einfach, sich ein bisschen beschweren und jammern zu können, wie schwer doch das Problem ist.
- Um Rat fragen: Manchmal sollte man einfach um Rat fragen. Das fällt vielen Menschen nicht leicht, aber genau dafür ist der*die Betreuer*in da. Alternativ kann man auch erst einmal Kollegen oder Freunde fragen, oder andere Doktorand*innen aus einer Arbeitsgruppe. Input von außen kann Gold wert sein.
- Alle Lösungen brainstormen: Wenn eine (fleißige oder echte) Pause nicht möglich ist oder zu keinem Ergebnis geführt hat, kann es auch eine Idee sein, einfach einmal alle auch nur im Ansatz denkbaren Lösungen aufzuschreiben. Vermutlich hat man auch davor schon die Lösungen im Kopf gewälzt, aber sie einmal aufzuschreiben, und sei es auch nur in Stichpunkten, hilft, sie genau zu betrachten. Am besten sollte man dafür auch die Lösungen mit aufschreiben, die man (aus welchen Gründen auch immer) schon ausgeschlossen hat, oder die ein wenig absurd wirken. Es ist gut, am Anfang so weit wie möglich den inneren Kritiker auszuschalten und erst einmal alle Lösungen aufzuschreiben. In einem zweiten Schritt kann man dann alle Lösungen kritisch untersuchen. Dabei sollte man den Ausschlussargumenten nicht sofort glauben, sondern sie wirklich hinterfragen. Manchmal ist eine scheinbar unmögliche Lösung doch die richtige. Frei nach Sherlock Holmes: “Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.”
- Mehrere Lösungen ausformulieren: Wenn nur wenige Lösungen in Betracht kommen, kann man die entsprechenden Stellen in der Dissertation auch nach allen Lösungen aufbauen und ausformulieren. Das ist relativ viel Arbeit, bietet sich also vor allem für Doktorand*innen an, die schnell viel Text produzieren können, oder für Probleme, die sich nicht auf viel Text auswirken. Indem man die Lösungen einfach einmal ausprobiert, kann man sehen, welche Implikationen sie bedeuten – und oft ergeben sich auch aus dem Text, der später wieder verworfen wird, noch Erkenntnisse für die Argumentation für die gewählte Lösung. Wer den Text nicht ausformulieren möchte, kann manchmal auch einfach nur die Gliederung für beide Lösungen ausarbeiten. Auch das kann schon einmal vor Augen führen, wie beide Lösungen funktionieren – oder eben nicht.
- Pro und Contra-Liste: Ein Klassiker unter den Entscheidungshilfen ist die Pro und Contra-Liste. Für alle Lösungen, die überhaupt in Betracht kommen, einmal die Vor- und Nachteile aufzuschreiben, sie zu sortieren und gegeneinander abzuwägen, kann dabei helfen, mehr Klarheit zu gewinnen. Natürlich geht es nicht darum, die Argumente einfach nur zu zählen, sondern sie müssen gewichtet werden. Aber eine Übersicht zu haben, kann trotzdem helfen.
- Kreative Darstellungen: Um die Kreativität wieder anzukurbeln kann es auch hilfreich sein, das Problem auf unterschiedliche Weise zu beschreiben. Bekannt und bewährt ist eine Skizze, um ein Problem darzustellen. Es kann aber auch eine Mindmap sein. Oder eine Zusammenfassung auf mehreren Karteikarten, die man visuell auf unterschiedliche Art anordnen kann. Auch eine Präsentation oder ein Poster zu erstellen oder das Problem in Gedichtform aufzuschreiben kann helfen, um es aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und damit auf neue Ideen zu kommen.
Für mein Problem habe ich übrigens eine (hoffentlich endgültige) Lösung gefunden und dafür eine Mischung aus Strategien 1-6 verwendet, indem ich erst verschiedene Lösungen ausformuliert (Strategie 6) und dann zwei Tage lang “fleißige” Pause gemacht habe (Strategie 2) und nebenbei mit Kollegen und anderen Doktoranden drüber geredet (Strategie 3) und/oder sie um Rat gebeten habe (Strategie 4). Dann war Wochenende (Strategie 1) und dann bin ich noch mal alle denkbaren und undenkbaren Lösungen durchgegangen (Strategie 5), um mich zu entscheiden. Die eine Strategie um auf Lösungen zu kommen, habe ich noch nicht gefunden, aber diese Liste hilft, sich einmal durchzuprobieren.
Und was sind eure Strategien, wenn ihr auf Probleme stoßt, die ihr zunächst nicht lösen könnt?