Christopher Czimek hat in Bonn studiert und dort im Strafrecht promoviert. Nach seinem Referendariat am OLG Düsseldort ist er heute Rechtsanwalt in Mönchengladbach. Für dr. jur. spricht er über die Motivation durchs Schreiben von Anfang an und wie er Autor*innen selbst kontaktiert hat, um Literatur umfassend auswerten zu können.
Zu welchem Thema hast Du promoviert?
Verbot privater Jugendpornographie – Untersuchung zu § 184c StGB unter besonderer Berücksichtigung von privaten Schriften
An welcher Hochschule?
Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn
Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat?
Vor dem Referendariat, in unmittelbarem Anschluss an das erste Staatsexamen.
Was machst Du heute?
Im Januar 2021 habe ich mein zweites Staatsexamen absolviert. Seit März 2021 arbeite ich als Rechtsanwalt im Wirtschaftsstrafrecht in der bundesweit tätigen Strafrechtsboutique „Kraft“ in Mönchengladbach.
Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit der Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?
Den Entschluss zu promovieren habe ich im August 2016 gefasst. Im September 2016 bin ich dann auf Themensuche gegangen. Dabei bin ich recht schnell fündig geworden. Nach zahlreichen Gesprächen mit Kollegen vom Lehrstuhl, habe ich Herrn Prof. Kindhäuser dann meinen Themenvorschlag unterbreitet. Er war sofort einverstanden, so dass ich mich unmittelbar in die Sacharbeit stürzen konnte.
Den Rest des Jahres 2016 habe ich damit verbracht eine zunächst noch sehr rudimentäre und vorläufige Gliederung zu erstellen und so viel Literatur zu dem Thema aufzusaugen, wie möglich. Nach dem Lesen habe ich die jeweilige Quelle unmittelbar auf Brauchbarkeit für meine Zwecke vorläufig bewertet und diese bejahendenfalls mit ihren Kernaussagen in meine Gliederung einsortiert. Daraus entstand dann ein zunächst noch stiefmütterliches Exposé, das ich zum einen für Bewerbungen um ein Stipendium verwandt und aus dem ich zum anderen später nach und nach meine Arbeit entwickelt habe.
Das Jahr 2017 war von einem stetigen Fortschreiben der Arbeit geprägt, was bis etwa März des Jahres 2018 andauerte. Anschließend gab ich die Arbeit zwei juristisch vorgebildeten Freunden zur Gesamtdurchsicht. Nach einigen Wochen erhielt ich diese mit Anmerkungen zurück, welche ich sodann einarbeitete. Im Frühsommer 2018 habe ich die Arbeit dann eingereicht.
Nachdem die Disputation mehrfach verschoben werden musste, fand sie dann im April 2019 statt und brachte mein Promotionsvorhaben zu seinem Abschluss.
Wie hast Du Deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?
In meinem Fall muss man wohl davon sprechen, dass mein Doktorvater mich gefunden hat. Jedenfalls musste ich nicht auf Suche nach ihm gehen:
Im Januar 2016 war die mündliche Prüfung meines ersten Staatsexamens und mein späterer Doktorvater war Vorsitzender Prüfer der Kommission. Ich hatte während der Strafrechtsprüfung bereits das Gefühl, dass mir die Fragen gut lagen und ich mich gut präsentierte. Wenige Wochen nach der Prüfung erhielt ich dann eine Mail vom Lehrstuhl von Prof. Kindhäuser, in der mir eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter verbunden mit der Möglichkeit zur Promotion angeboten wurde. Er habe eine solche zu besetzen und ich sei ihm aus der Prüfung positiv in Erinnerung geblieben. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich auch erstmalig gedanklich mit dem Thema Promotion befasst. Dies war für mich eine mehr als nur glückliche Fügung.
Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?
Für mich war relativ schnell klar, dass ich mich vertieft mit einem Thema aus dem Bereich des Sexualstrafrechts auseinandersetzen will – im Schwerpunktbereichsstudium hat mich diese Materie, nicht zuletzt dank des Dozenten Dr. Kay Schumann fasziniert. Sie ist einerseits juristisch hoch interessant und anspruchsvoll sowie andererseits von gesellschaftlicher Brisanz. Trotz, dass wir in einer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft leben, fällt es sogar in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung häufig schwer, diese emotional besetzte Materie mit der notwendigen Sachlichkeit zu durchdringen. Diese Kombination hat mich gereizt.
Bei der allgemeinen Recherche im 13. Abschnitt des besonderen Teils des StGB bin ich schnell darauf gestoßen, dass es zu § 184c StGB (Verbot von Jugendpornographie) keine wirkliche, eigene Auseinandersetzung gibt. Nur die wenigsten Werke betrachten den Tatbestand für sich. Nahezu sämtliche Auseinandersetzungen finden als „Anhängsel“ zu dem wesentlich publikumswirksameren und älteren Tatbestand des § 184b StGB (Verbot von Kinderpornographie) statt. Als ich diese Erkenntnis gewonnen hatte, war es kein weiter Weg mehr bis zu dem Thema.
Das Thema stand somit recht früh fest und hat sich bis zum Schluss auch nicht mehr wesentlich verändert.
Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?
Ich habe ein Expose verfasst. Zunächst tat ich dies aus extrinsischer Motivation: Es war Voraussetzung für die Bewerbungen auf ein Stipendium bei den Begabtenförderungswerken.
Im Nachgang habe ich festgestellt, dass dies auch unabhängig von etwaigen Bewerbungen das Sinnvollste war, was ich zu Beginn der Arbeit hätte tun können. Ich war dadurch direkt gezwungen, meine Gedanken in eine Monographie-orientierte Struktur zu bringen. So konnte mich nicht zu lange davor drücken, etwas zu Papier zu bringen – sei es auch noch so unausgereift.
Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?
Ich habe sämtliche Literatur ausgedruckt und in dicke Leitz-Ordner nach Kapiteln sortiert abgeheftet. In dieser Hinsicht bin ich altmodisch: Um wirklich mit Literatur arbeiten zu können, muss ich sie in Papierform vor mir liegen haben.
Besondere Schwierigkeiten sind nicht aufgetaucht. Zum einen war ich fast durchgehend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einen Lehrstuhl angebunden, was den Zugriff auf Literatur wesentlich erleichtert hat. Zum anderen habe ich mich im Zweifel nicht davor gescheut, die Autoren direkt zu kontaktieren. Nahezu durchweg habe ich die Erfahrung gemacht, dass die hinter den Werken stehenden Autoren gerne bereit sind, sich über einen von ihnen rausgebrachten Aufsatz, ein Gutachten oder eine Monographie auszutauschen und gegebenenfalls Hintergründe zu erläutern.
Lediglich in einem Fall konnte ich trotz intensiver Recherche ein Gutachten zum Pornographiebegriff vom verstorbenen Prof. Samson nicht auftreiben. Er hatte ein solches seinerzeit im Auftrag des Bezahlsenders Premiere erstellt. Bei seinen ehemaligen Lehrstühlen fanden sich hierzu keine Unterlagen mehr. Bei Sky als Rechtsnachfolger von Premiere fand sich das Gutachten ebenso nicht mehr. Auch das Bundesverwaltungsgericht, das Ausschnitte des Gutachtens in einem Urteil zitierte, hatte dieses nur rudimentär vorliegen. Auch die Autoren eines anderen Werks, wo Samson mit dem Gutachten zitiert wurde, hatten es nicht mehr vorliegen. Trotz der Erfolgslosigkeit des Bemühens waren alle kontaktierten Stellen stets sehr engagiert, mir weiterzuhelfen.
Mit Citavi oder vergleichbarer Software habe ich nicht gearbeitet. Ich habe solche Programme erst kennengelernt als meine Arbeit schon recht fortgeschritten war und der Aufwand hierfür in keinem Verhältnis mehr gestanden hätte. Ich habe ein Literaturverzeichnis geführt und die Fußnoten händisch eingetippt. Vermutlich würde ich aus jetziger Sicht wohl auf ein Programm wie Citavi zurückgreifen.
Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?
Auf nachdrücklichen Rat meines Doktorvaters hin habe ich vom ersten Tag an geschrieben. Meine Arbeit habe ich bei der Gewinnung neuer Erkenntnisse stetig fortentwickelt. Nicht selten habe ich ganze Passagen aber auch wieder löschen, umschreiben oder an eine andere Stelle ziehen müssen.
Dennoch würde ich immer wieder so vorgehen und dies nachdrücklich auch anderen Doktoranden empfehlen. Insbesondere in psychologischer Hinsicht motiviert es zu Beginn unheimlich, wenn die Seitenzahl der Arbeit in den ersten Wochen und Monaten erheblich wächst. So kam es nicht selten vor, dass ich am Abend 5 Seiten mehr auf der Haben-Seite stehen hatte als noch am Morgen. Dies wurde selbstverständlich irgendwann weniger. Da stand dann aber schon ein Großteil des Umfangs der Arbeit und die konstante Motivation kam durch das Abschließen einzelner Passagen und Kapitel.
Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?
Für mich waren während des Schreibens der Arbeit zwei überarbeitende Personen bedeutsam: Zunächst habe ich Kapitel, die ich für abgeschlossen hielt, einer befreundeten Doktorandin zum Lesen gegeben. Nach ihrer Rückmeldung habe ich die erfolgten Anmerkungen eingearbeitet und das Kapitel anschließend meinem Doktorvater eingereicht. Mit ihm habe ich dann im nächsten Betreuungsgespräch das eingereichte Kapitel besprochen und mich über meinen bisherigen Stand bezüglich des nächsten Kapitels ausgetauscht. Seine spontanen Gedanken zu dem Thema waren nicht selten eine gute Inspirationsquelle.
Vor Einreichung der Arbeit habe ich die Monographie einer ehemaligen Kommilitonin sowie zwei befreundeten Doktoranden zur Gesamtdurchschau gegeben. Von diesen kamen noch einmal wertvolle Hinweise. Im Gegensatz zu dem Austausch während des Schreibens hat diese unvoreingenommene Gesamtdurchsicht der Arbeit nochmal dazu geführt, dass die Anmerkungen das Werk als Ganzes im Blick hatten. Die Korrektur-Leser haben zuvor nicht mit mir die sprichwörtlichen einzelnen Bäume betrachtet, sondern bekamen nur den Wald in seiner Gesamtheit präsentiert. Auch dies würde ich jedem Doktoranden nachdrücklich empfehlen.
Wie hast Du Dich auf die Disputatio vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio und die Diskussion?
Ich hatte bereits in einem Fazit-Kapitel die wesentlichen Thesen meiner Arbeit zusammengefasst, so dass ich zu diesem Zeitpunkt keine gesonderten Thesen mehr herausarbeiten musste. Ausgewählt habe ich sie zuvor anhand der Kapitel. Ich habe mir bei jedem Kapitel die Frage gestellt, welche Kernaussage ich dort treffen will bzw. (hoffentlich auch) treffe.
Die Vorbereitung auf die Disputatio bestand im Wesentlichen aus der Vorbereitung des Vortrags sowie des Auffrischens dessen, was ich geschrieben hatte. Zwischen Einreichung und Disputatio lag gut ein Dreivierteljahr. Auch wenn man selbst Autor der Zeilen ist, ist die Vergessenskurve doch höher als man zunächst vermuten würde.
Die Disputatio selbst habe ich dann als entspanntes Fachgespräch über meine Arbeit empfunden. Die Fragen der Prüfer im Rahmen der Diskussion wurden so gestellt, dass ich meine Positionen gut präsentieren und ausführen konnte. Die Zeit verging wie im Flug.
Lediglich eine Frage zu meiner persönlichen Position als Wissenschaftler zur Rechtsgutstheorie traf mich etwas unvorbereitet. Im Nachgang versicherte der Prüfer mir, er sei nach seinem diesbezüglich kritischen Gutachten davon ausgegangen, ich wartete nur auf die Frage. Dies war jedoch nicht so – was im Nachhinein bei nochmaliger Lektüre des Gutachtens wohl tatsächlich angebracht gewesen wäre.
Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess? Hast Du im Anschluss deine Dissertation vermarktet? Wie?
Die Disputatio fand im April 2019 statt. Veröffentlicht wurde die Arbeit im Dezember 2019 im Peter Lang Verlag. Der Veröffentlichungsprozess lief recht unkompliziert. Ich habe beim Verlag angefragt, mir wurde daraufhin ein Angebot unterbreitet. Das habe ich dann zeitnah angenommen und es ging an Formatierungsfragen und Co.
Vermarktet habe ich meine Arbeit später nicht. Ich habe auch auf eine Gewinnbeteiligung zugunsten eines günstigeren Veröffentlichungspreises verzichtet.
Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?
Inhaltlich waren es zwei Dinge, die für den Kopf gut waren: Zu Beginn des Schreibens kamen täglich viele Seiten Fließtext hinzu. Das sichtbare Wachsen der Arbeit motivierte mich unheimlich. Später motivierte dann insbesondere das Abschließen von Kapiteln.
Auch bei mir gab es Aufs und Abs. Ein großes Motivationsloch in dem Sinne habe ich jedoch nicht erleben müssen. In den Abs hat mir insbesondere meine damalige Freundin und jetzige Frau Regina Unterstützung und Halt gegeben.
Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich mir insgesamt Rahmenbedingungen geschaffen habe, die einem Motivationsloch präventiv entgegengewirkt haben.
- So habe ich gemeinsam mit einer Freundin und Kollegin vom Lehrstuhl mein Dissertationsvorhaben begonnen und wir haben gerade zu Beginn viele Dinge parallel gemacht. Ohne dass zwischen uns eine Rivalität im eigentlichen Sinne bestand, hat diese Situation geholfen. Wir haben uns stets über unsere Fortschritte ausgetauscht. Da wollte ich mir natürlich keine Blöße geben. Auch im Übrigen war die Situation am Lehrstuhl ideal, da dort viele andere Doktoranden rumliefen.
- Nachdem der Lehrstuhl meines Doktorvaters aufgrund seiner Emeritierung schließen musste, habe ich mir eine neue Anstellung an einem Strafrechtslehrstuhl der HHU Düsseldorf gesucht. Auch dies hat noch einmal neue Motivation gegeben, denn selbstverständlich war auch dort unter den Kollegen das Promotionsvorhaben stets Thema.
- Ich hatte das Glück ein Promotionsstipendium der Konrad Adenauer Stiftung gewährt zu bekommen. Dies beinhaltet neben der finanziellen Förderung auch eine umfassende ideelle Förderung etwa durch Seminare. Auf solchen Seminaren war man dann nicht selten ausschließlich mit Doktoranden auch aus anderen Fachrichtungen zusammen. Dies hat mich auch noch einmal motiviert und meinen Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand schweifen lassen. Ohne diesen Austausch hätte ich vermutlich zu oft die Scheuklappen aufgehabt. Wenn man nur in seiner eigenen Suppe schwimmt, führt dies irgendwann automatisch zu Zweifeln und Motivationslöchern. Der Austausch mit Doktoranden aus anderen Fachrichtungen hilft, das Große Ganze im Blick zu halten und zugleich die Motivation hochzuhalten.
- Unabhängig von dem konkreten Promotionsvorhaben genieße ich es, Zeit auch mit Menschen zu verbringen, die keine Juristen sind. So bin ich insbesondere bei meinen Hobbies Feuerwehr, Schützenverein und Kegeln – je nach Ohr des Betrachters klingen diese antiquiert, spießig oder bedienen das Vorurteil des Dorfes. Ich kann jedoch versichern, alle erwähnten Freizeitbetätigungen machen großen Spaß – ich bin meist der einzige Rechtswissenschaftler in der Runde. Die dortigen Treffen haben mir immer geholfen, die Welt nicht nur durch die akademische Brille der Rechtswissenschaft zu sehen und gedanklich einfach mal von dem Thema abzuschalten!
- Zum Ende der Arbeit hat mir dann die Erwartung der Geburt eines Kindes die Motivation gegeben, die Arbeit zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen.
Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?
Ich habe meine Dissertation zeitgleich mit einer Kollegin des Lehrstuhls meines Doktorvaters begonnen. Mit ihr habe ich mich regelmäßig und intensiv ausgetauscht, auch nachdem der Lehrstuhl geschlossen war und wir uns nicht mehr oft persönlich gesehen haben. Wir haben Gedankengänge und Ideen ausgetauscht, Ausführungen gegengelesen und Probleme diskutiert. Dies stellte für mich den wichtigsten Austausch dar.
Daneben habe ich den Austausch mit den Kollegen an beiden Lehrstühlen, für die ich tätig war, als sehr bereichernd empfunden. Insbesondere am Bonner Lehrstuhl war ein kollegiales Miteinander vorzufinden, wo jeder stets ein offenes Ohr für den anderen und das aktuelle Thema hatte. Auch in Düsseldorf am Lehrstuhl fand ein Austausch statt. Insbesondere aufgrund der räumlichen Situation – es gab zahlreiche separate Büros, die auf zwei verschiedene Gebäude aufgeteilt waren – im Vergleich zu Bonn jedoch weniger.
Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?
Während der Promotionsphase habe ich durchweg mit meiner Freundin zusammengelebt, die bereits voll im Beruf stand. Vor diesem Hintergrund bestanden niemals ernsthafte Bedenken, dass das Vorhaben im Zweifel an der Finanzierung scheitern würde.
Dennoch war mir stets wichtig, in dieser Hinsicht unabhängig zu sein. Ich habe stets eigenes Einkommen gehabt, das zum Auskommen gereicht hätte und hat.
Zunächst war ich mit einer halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl meines Doktorvaters tätig. Als dann absehbar war, dass diese Möglichkeit aufgrund seiner Emeritierung auslief, habe ich mich um ein Promotionsstipendium bemüht, welches mir auch gewährt wurde. In den letzten Monaten des Lehrstuhls habe ich meine Stelle auf die maximal zulässige Stundenzahl von 10 pro Woche reduzieren können, so dass beide Einnahmequellen parallel liefen.
Als der Lehrstuhl dann schließen musste, bestand die Finanzierung kurzzeitig aus dem Stipendium sowie werkvertraglicher Arbeit als Korrektor für Klausuren und dem Halten von Klausurenkursen für das Juristische Repetitorium Hemmer. Da ich jedoch schlagartig die sonstigen Vorteile der Tätigkeit an einem Lehrstuhl vermisst habe – fachlicher Austausch mit Kollegen und erleichterter Zugang zu Literatur – habe ich mich alsbald um eine neue, wohnortnahe Stelle an einem strafrechtlichen Lehrstuhl bemüht. Dies war dann bis zum Schluss des Promotionsvorhabens und darüber hinaus die ideale Ergänzung zum Stipendium.
Kurz gesagt: Reich wird man als Doktorand nicht. Ich selbst bin mit Stipendium und einer Teilzeitstelle an einem Lehrstuhl aber gut über die Runden gekommen. Auch ohne das Stipendium wäre eine Finanzierung aber möglich gewesen. Eine Verdienstmöglichkeit würde ich immer wieder fachbezogen wählen, da die Synergieeffekte von kaum zu unterschätzendem Vorteil sind.
Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?
Nein.
Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?
- Habt keine Hemmung und zögert nicht zu lange damit, etwas zu Papier zu bringen. Niemand erwartet, dass die ersten Zeilen druckreif sind. An Textentwürfen kann man meist konstruktiver arbeiten, als wenn man meint, das Geschriebene muss direkt perfekt sein.
- Sucht euch die Möglichkeit des regelmäßigen Austauschs mit anderen Doktoranden!
- Der dritte Tipp ist eine der wichtigsten Empfehlungen meines Doktorvaters und klingt banaler als es offensichtlich ist: Bringt eure Arbeit zum Abschluss und gebt ab! Ich habe selbst in der kurzen Zeit genug Beispiele von Menschen kennengelernt, die eine fortgeschrittene Dissertation in der Schublade liegen haben, ohne sie zum Abschluss gebracht zu haben.
Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?
Das Studium der Rechtswissenschaft ist inzwischen sehr verschult. In der Folge kommt eigentliche Rechtswissenschaft in der Ausbildung meines Erachtens oft zu kurz. Viele Lehrbücher und Skripten sind als Kochbücher konzipiert – um eine von Prof. Wulf-Henning Roth regelmäßig verwendete Metapher aufzugreifen. Als Dozent zahlreicher Arbeitsgemeinschaften habe ich zunehmend den Eindruck gewonnen, dass dies von dem Gros der Studenten auch so gewollt wird. Für mich selbst war es im Schwerpunktbereichsstudium ein erfüllendes Erlebnis als ich beim Schreiben meiner Seminararbeit erstmals das Gefühl hatte, im Ansatz wirkliche Rechtswissenschaft zu betreiben. Dieses Gefühl habe ich beim Schreiben der Dissertation dann noch einmal intensiver erfahren. Hyperbolisch gesagt: Rechtswissenschaft ist weit mehr als das Aufsagen der herrschenden Meinung, das Benennen einer ablehnenden Auffassung und dem zusammenhanglosen Nennen klausurtaktisch zurechtgelegter oberflächlicher Argumente.
Mit Verleihung des Doktor-Titels habe ich einen Unterschied in der Wahrnehmung meiner Person erfahren. Im Allgemeinen habe ich dies als schmeichelhaft empfunden. Im privaten Bereich ist mir dies aber hin und wieder sogar unangenehm, denn ich sehe den Titel mehr als fachliche Qualifikation an. Insbesondere im Bereich der von mir geleiteten Arbeitsgemeinschaften habe ich den Titel jedoch sogar als nachteilig empfunden: Während ich die Studenten in meinen AGs zuvor als eher kritisch gegenüber allem Gesagten wahrgenommen habe, erhielt ich mit dem Zeitpunkt meiner Promotion weniger kritische Nachfragen und die angesprochenen, diskussionswürdigen Punkte wurden oft schneller hingenommen. Viele für die Studenten gewinnbringende Diskussionen kamen so nicht mehr zustande. Als besonders spannend habe ich es in der Zeit als Doktorand empfunden, das Funktionieren der Rechtswissenschaft als solche besser kennen zu lernen. Auf einmal bekamen die zuvor anonymen Auffassungen für mich Gesichter und ich erhielt Einblicke darin, welche Fakultäten und welche Professoren für welche fachlichen Positionen stehen. Diesen personalen und örtlichen Bezug von Meinungen hatte ich mir während des Studiums so nicht ins Bewusstsein gerufen.
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