Rick Sprotte hat in Jena und Birmingham studiert und in Jena promoviert. Während seiner Promotion hat er ein Clerkship am Supreme Court in Israel absolviert und einen Forschungsaufenthalt am Max Planck Institut in Luxemburg gemacht, wo ich ihn kennen lernen durfte. Jetzt arbeitet er als Projektkoordinator an der Universität Leipzig. Er berichtet im Interview mit Dr-Jur.net von den vielseitigen Möglichkeiten, die die Promotionszeit ihm geboten hat und davon, wie wichtig es für ihn war, frühzeitig mit dem Schreiben zu beginnen.
Zu welchem Thema hast Du promoviert?
Das Thema meiner Arbeit war das der Sachaufklärung in der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung vor dem Hintergrund mangelnder unionsrechtlicher Regelungen auf diesem Gebiet.
An welcher Hochschule?
Ich habe an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena promoviert, wo ich auch studierte.
Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat?
Ursprünglich begann ich meine Promotion mit einem anderen Thema im Oktober 2014, direkt nach dem Abschluss des 1. Staatsexamens im Sommer 2014. Mit der Suche nach einem neuen Thema, das ursprüngliche hatte die Europäische Kommission mehr oder minder obsolet werden lassen, begann ich im März 2015. Im November 2019 habe ich meine Doktorarbeit verteidigt.
Was machst Du heute?
Ich bin seit Anfang 2020 Projektkoordinator für internationale Hochschulpartnerschaften sowie Cotutelle-Verfahren und damit in Zusammenhang stehende Vertragsangelegenheiten an der Stabstelle Internationales der Universität Leipzig. Ich wollte nach der Dissertation zunächst etwas Abstand gewinnen und Arbeitserfahrung im Bereich der Projektkoordination sammeln. Unter Umständen gehe ich aber auch noch ins Referendariat.
Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit der Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?
Inklusive der Abfassung eines detaillierten Exposés hat die Suche nach meinem eigenen Thema ca. 9 Monate in Anspruch genommen. Die Fertigstellung des Exposés war ein wichtiger Meilenstein zu Beginn des Prozesses. Da ich zwischenzeitlich nochmals für ein halbes Jahr für ein Clerkship im Ausland gelebt habe, begann die Abfassung der Niederschrift erst im Laufe des Jahres 2017. Die Zeit bis dahin verbrachte ich mit Recherchen zur Thematik.
Ein weiterer wesentlicher Meilenstein war ein Forschungsaufenthalt in Luxemburg von März bis August 2018. In dieser Phase entstand die grobe Schriftfassung, die ich erstmals Dezember 2018 meiner Betreuerin vorlegte. Nach Ihrem Feedback, habe ich im Juli 2019 meine Arbeit eingereicht und im November 2019 verteidigt.
Wie hast Du Deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?
Meine Doktormutter habe ich eher indirekt gefunden, über den Weg der Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Ich hatte den zivilrechtlichen Teil meines Schwerpunktes komplett bei ihr absolviert. Daher kannten wir uns bereits. Pünktlich zum Ende meines Studiums, hatte sie dann eine freie Stelle als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in an ihrem Lehrstuhl für ein umfassendes Buchprojekte zu besetzen. Diese Stelle war mit der Möglichkeit der Promotion verknüpft, das sagte sie mir auch direkt im Vorstellungsgespräch.
Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?
Das endgültige Thema meiner Promotion habe ich mir selbst erarbeitet, indem ich Aufsätze zu verschiedensten Themen las, die mich schon während der Studienzeit auf dem Gebiet des IPR/IZVR interessierten. Ausgehend vom umfassenden Thema des einstweiligen Rechtsschutzes kam ich zur zivilprozessualen Zwangsvollstreckung und von dort zur überaus wichtigen Problematik der Sachaufklärung im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung. Der Weg war also nicht vorgezeichnet, sondern kristallisierte sich durch das Studium unzähliger Aufsätze und Beiträge nach und nach heraus. Am Ende war es eine Bauchentscheidung für diese spezielle Thematik. Ich war überzeugt, dass das Thema wiederbelebt werden sollte und neueste Erkenntnisse und Ideen verfasst werden müssen. Ein etwas langwieriger Prozess, aber am Ende stand ich damit voll und ganz vor und hinter dem Thema.
Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?
Die Fertigstellung des Exposés war tatsächlich ein wichtiger Meilenstein. Auch wenn sich die Thematik im Detail stetig ein wenig veränderte, gab mir das Exposé einen Kompass vor. Außerdem half es mir bei diversen Bewerbungen, um mein Thema prägnant vorstellen zu können.
Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?
Zum einen erschlägt einen am Anfang unter Umständen die Fülle an bereits vorhandener Literatur. Anfangs habe ich oft gedacht, wenn derart umfassend zu einzelnen Aspekten Literatur veröffentlicht wurde, an welcher Stelle soll dann die Lücke für meine Arbeit sein. Doch genau darin steckt der Prozess. Das Thema von oben nach unten zu durchdringen und sich die Lücke, von der man am Anfang vermutet hat, dass sie da ist, zu erarbeiten. Während des Schreibens hat sich dann manchmal als anspruchsvoll herausgestellt, Literatur auf die konkreten eigenen Fragen zu finden. Immer wieder stellte sich dann, konträr zur Ausgangssituation die Frage, warum zu manchen Problemen und Fragestellung noch keine Abhandlung verfasst wurde. Das zeigt aber auch, dass sich während des gesamten Promotionsprozesses immer wieder Lücken auftaten, die ich vorher nicht vermutet hatte.
Für die Literaturverwaltung habe ich das Literaturverwaltungsprogramm citavi verwendet, das es an meiner Universität für Promovierende frei zur Verfügung gab. Ich habe das Programm als überaus hilfreich empfunden. Gleich, ob man sämtliche Funktionen verwendet, um den Überblick zu behalten oder schnell Literatur, die man bereits gesichtet hat, mit dem richtigen Zitat wieder zu finden, ist solch ein Programm meiner Einschätzung nach unumgänglich. Ich finde allerdings, man sollte sich im Vorfeld bewusst machen, in welchem Umfang man citavi oder ein ähnliches Programm nutzen möchte. Auch wenn es vielleicht schwerfällt und (noch) nicht im Zeitplan vorkommt, ist es ratsam sich gleich zu Beginn eingehend mit dem Programm und enthaltenen Funktionen vertraut zu machen. Das kann während der Bearbeitung, und vor allem am Ende, viel Arbeit ersparen.
Daneben habe ich tatsächlich sehr altmodisch ein A4 Notizbuch geführt, welches ich stets bei mir hatte, um schnell und einfach Notizen machen zu können, die ich zu meiner Arbeit hatte. Das hat mir wirklich geholfen, auch um irgendwann die Gedanken fernab des Bildschirms sammeln und umstrukturieren zu können.
Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?
Durch das Exposé war ich gezwungen, recht frühzeitig mit dem Schreiben anzufangen. Auch wenn ich es danach zugunsten der Recherche wieder etwas vernachlässigt habe, würde ich nachbetrachtend sagen, je früher man mit dem Schreiben beginnt desto förderlicher für den gesamten Prozess. Aber, man sollte dieses frühe Schreiben auch immer vor dem Hintergrund durchführen, “Backspace” als steten Begleiter zu betrachten. Was steht, steht nicht für immer (erst nach der Veröffentlichung). Sich das bewusst zu machen, dass man unter Umständen jeden Satz wieder überarbeiten muss, je zeitiger man das Schreiben beginnt, kann man sich nicht stark genug vor Augen führen. Meiner Erfahrung nach galt das für jede Phase des Schreibens. Aber irgendwann sollte man dafür auch ein Ende finden. An der Stelle möchte ich gern den von meine Doktormutter vielzitierten Satz wiedergeben: „The better is the enemy of the good“.
Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?
Wie zuvor beschrieben, ist die Überarbeitung jedes einzelnen Satzes ein wesentlicher Schritt. Die hauptsächliche strukturelle Überarbeitung nahm ich zum einen vor, nachdem ein Freund und Kollege die Arbeit inhaltlich gelesen und mir Rückmeldung gegeben hatte. Zum anderen nahm ich umfassende Änderungen vor, nachdem meine Doktormutter den ersten Entwurf der Arbeit durchgesehen hatte. Nach diesem Feedback überarbeitete ich die Arbeit nochmals für drei Monate, bevor ich die endgültige Version einreichte. Korrekturleserin war meine Mutter, die diese anstrengende und nervenaufreibende Aufgabe sogar mehrfach übernahm. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sie keine juristische Ausbildung besitzt. Das führte zum einen natürlich zu diversen Nachfragen ihrerseits. Andererseits waren diese Fragen für mich aber auch eine gute Gegenprobe, ob ich Sachverhalte bzw. auch nur einzelne Sätze verständlich formuliert hatte.
Wie hast Du Dich auf die Disputatio vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio und die Diskussion?
Für die Disputation habe ich mich mit den Gutachten der Guterachter*innen vorbereitet. Ich habe wesentliche Kritikpunkte aufgegriffen und im Rahmen einer Gesamtvorstellung meiner Arbeit herausgegriffen und bin darauf eingegangen. Das geschah im Rahmen eines halbstündigen Vortrages, den ich unterstützt durch eine Powerpoint-Präsentation hielt. Im anschließenden Gespräch gingen meine Gutachter*innen auf kritische Punkte auch nochmals ein und ich musste meine Thesen der Arbeit dementsprechend verteidigen.
Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess? Hast Du im Anschluss deine Dissertation vermarktet? Wie?
Die Publikationsexemplare habe ich vor einiger Zeit erhalten. Den Verlagsvertrag an sich hatte ich nach der Verteidigung direkt in der Tasche. Da ich aber nochmals ein paar Änderungen an der Arbeit vornehmen wollte, hat sich der Überarbeitungsprozess für die Verlagspublikation an sich ein wenig in die Länge gezogen. Im Juli 2020 habe ich das Manuskript an den Verlag gesendet. Nach mehrmaligen Druckfahnen ist die Arbeit nahezu ein Jahr nach der Verteidigung erscheinen. Der Verlag machte mir für die Veröffentlichung nur geringfügige Vorgaben, was ich als sehr angenehm empfand.
Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?
Zum einen war und bin ich mir sicher, dass es ein wichtiges Thema ist, zu welchem die wissenschaftliche Diskussion wieder aufgenommen werden sollte. Zum anderen wollte ich es mir natürlich auch selbst beweisen, es durchhalten zu können. Irgendwann war ich an dem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Da musste ich dann die Zähne zusammenbeißen und die Arbeit zu Ende bringen.
Was mir immer geholfen hat, waren die Gespräche mit Freund*innen, die teils in ähnlichen Situationen waren und auch stets ein offenes Ohr für mich hatten. Ansonsten war der Ausgleich mittels Sport oder eines anderen Hobbys überaus wichtig. Schon, um anderweitige Erfolgserlebnisse zu haben und den Kopf wieder frei zu bekommen.
Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?
Ich hatte über mein Stipendium immer wieder die Möglichkeit mich mit anderen Doktorand*innen auszutauschen, sei es während des Doktorand*innenforums oder während anderer Veranstaltungen. Am Lehrstuhl hatten wir jährliche Doktorand*innenkollequien. Die prägendste Erfahrung in diesem Zusammenhang habe ich allerdings während meiner Zeit am Max-Planck-Institut Luxembourg für Internationales, Europäisches und Regulatorisches Verfahrensrecht gemacht, an welchem der Austausch nochmals ganz anders möglich war. Das hat mir unglaublich geholfen.
Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?
Zunächst war ich für 22 Monate am Lehrstuhl meiner Doktormutter angestellt. Die Nähe zum Lehrstuhl bietet natürlich erhebliche Vorteile in jeglicher Hinsicht. Die Lehrstuhlarbeit kann zuweilen aber zeitintensiv sein. Dann ist es manchmal schwer ein Ende zu finden und wieder in den „Promotionsmodus“ zu kommen.
Die Arbeit am Hauptteil meiner Dissertation konnte ich mittels eines Promotionsstipendiums finanzieren. Ich kann jeder und jedem nur empfehlen, solch eine Bewerbung in Angriff zu nehmen, gleich bei welchem Förderwerk. Neben der Finanzierung ergeben sich mittels des Stipendiums unglaublich vielfältige Vorteile und es wird einem ein interdisziplinärer Austausch ermöglicht.
Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?
Wie bereits angesprochen war ich für mehrere Monate am Max-Planck-Institut Luxemburg für Internationales, Europäisches und Regulatorisches Verfahrensrecht. Die Atmosphäre am Institut sowie die engagierte und doch kollegiale Arbeitsweise waren überaus inspirierend. Die Möglichkeiten rechtsvergleichende Forschung zu betreiben waren optimal und die Möglichkeiten des Austauschs vielfältig. In dieser Phase entstand ein Hauptteil meiner Arbeit. Auch hatte ich die Gelegenheit meine Arbeit den Institutsangehörigen sowie weiteren Gästen wie mir vorzustellen und meine Grundannahmen vor einem vielfältigen Fachpublikum zu verteidigen. Eine überaus wichtige Erfahrung.
Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?
Sei dir sicher, warum du das Projekt Dissertation in Angriff nimmst. Diese Grundmotivation kann einen durch Zweifel und schwere Stunden tragen.
Bleib sitzen. Es gab Tage, an denen ich das Gefühl hatte, nichts zustande zu bringen. Irgendwann am frühen Abend brachte ich dann doch noch ein paar Absätze zu Papier.
Nimm die Freiheiten wahr, die dir als Doktorand*in zur Verfügung stehen, gleich ob materieller oder immaterieller Natur.
Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?
Persönlich hat mir die Promotionsphase überaus viel gebracht. Ich konnte in der Zeit unglaublich viele inspirierende Menschen, deren Umstände und deren Motivationen kennen lernen. Auch über mich selbst, meine Motivation und die Definition des vielzitierten „Durchhaltevermögens“ habe ich nach dem Studium noch weitaus mehr gelernt. Es war eine Zeit ständiger Höhen und Tiefen. Diesen Zustand auszuhalten und immer weiter zu machen, hat mir viel mitgegeben. Auch interkulturell konnte ich vielfältige Erfahrungen sammeln, sei es durch die Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und der damit verbundenen Arbeit an einem Buchprojekt mit nahezu 200 Autor*innen aus fast 60 Ländern, sei es ein Clerkship am Supreme Court von Israel oder die Forschungstätigkeit am MPI in Luxembourg sowie die Möglichkeit diverser Reisen. Von all diesen Dingen profitiere ich durchaus und wahrscheinlich waren sie meiner Anstellung an der Stabsstelle Internationales der Universität Leipzig nicht abträglich. Die Zeit der Promotion ist eine der noch größeren Freiheiten, aber auch von Verpflichtungen gegen sich selbst, wenn man die Frage der Finanzierung mal außer Betracht lässt.
Das alles fließt in die Gesamtabwägung mit ein, ob ich nochmals eine Promotion anstreben würde. Es war für mich eine teils aufreibende, aber eben auch wertvolle Zeit, die ich nicht missen wöllte. Aber jede und jeder selbst muss die eigene Motivation kennen und gut hinterfragen sowie die Zielstellung einer Promotion für sich selbst erkannt haben. Vielleicht können Enttäuschungen auf dem Weg einer Promotion so vermieden werden.
Wenn ich solch ein Projekt nochmals angehen würde, würde ich versuchen noch strukturierter vorzugehen und versuchen, den gesamten Prozess von vornherein detaillierter zu beschreiben. Unabhängig von der zur Verfügung stehenden Förderung ist es sicherlich hilfreich, ganz klar Meilensteine herauszuarbeiten und immer wieder zu überprüfen, ob diese eingehalten wurden. Nach einer gewissen Zeit ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn etwas Zählbares bei der Bearbeitung rumgekommen ist, einfach für das eigene Gefühl. Wie auch bei meiner Promotion würde ich mich nicht drängen lassen. Es ist das eigene Projekt. Man muss es nur vor sich selbst und vielleicht Geldgeber*innen rechtfertigen, aber ansonsten ist man völlig frei, alles zu tun. Diese Einstellung würde ich beibehalten.