Meine heutige Interview-Partnerin ist Janett Bachmann. Sie hat in Halle-Wittenberg studiert sowie promoviert und arbeitet jetzt als Rechtsanwältin in Köln. Und sie ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Arbeit in der Praxis nicht ausschließt, in Lehre und Wissenschaft tätig zu sein, denn sie ist auch als Lehrbeauftragte und Honorardozentin tätig. Ich kenne Janett von Moot Court Veranstaltungen in Bonn, wo sie regelmäßig zur Vorbereitung der Teams Vorträge über die anwaltliche Berufspraxis und das Schreiben von Schriftsätzen hält. Ich freue mich, dass sie uns heute einen Einblick in ihre Promotionsphase gibt.

Zu welchem Thema hast Du promoviert? An welcher Hochschule? Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat? Was machst Du heute?

Ich habe zu dem Erstentwurf der europäischen Güterrechtsverordnungen (u.a. Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert. Meine Promotion begann im Januar 2012. Im März 2015 war die Verteidigung. Ich habe die Promotion vor dem Referendariat begonnen und dann unmittelbar nach den Klausuren zum zweiten Staatsexamen mit der Verteidigung beendet. Heute bin ich Rechtsanwältin in der Prozessrechtsabteilung von Osborne Clarke in Köln und wechsele demnächst zu einer anderen englischen Großkanzlei nach München.

Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio(n)/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?

Ich glaube, ich habe im Vergleich zum Durchschnitt sehr schnell promoviert bzw. zumindest die Dissertation sehr schnell geschrieben. Mein Thema stand unmittelbar nach der universitären Schwerpunktbereichsprüfung bereits fest. Nachdem ich das OK von meiner Doktormutter hatte, habe ich sofort mit der Recherche und dem Schreiben begonnen. Ich habe während der Promotion an einem Lehrstuhl und später dann in einer großen deutschen Kanzlei gearbeitet. Im Juli 2013 begann mein Referendariat. Eingereicht habe ich die Schriftfassung im September 2014. Meine Verteidigung war dann im März 2015 und bestand aus einem Vortrag zu meiner Dissertation, einer Prüfung im Kollisionsrecht und am Ende – da der Vorsitzende meines Prüfungsausschusses Strafrechtler war – einer strafrechtlichen Prüfung.

Wie hast Du deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?

Es stand für mich immer fest, dass – wenn ich dann promoviere – es definitiv im Zivilrecht sein würde. Da meine Alma Mater eher zu den kleineren Universitäten zählt, war meine Doktormutter schnell gefunden. Eine externe Promotion kam für mich nicht in Frage. Wenn man seine Doktormutter/seinen Doktorvater bereits aus der Vorlesung oder einem Seminar kennt, ist es mitunter einfacher in der Kommunikation und vielleicht auch in der Betreuung.

Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?

Bereits zu Beginn des fünften Semesters habe ich mich für das Internationale Privatrecht (IPR) als Schwerpunkt entschieden. Die Vorlesungen waren immer sehr schwach besucht, oftmals waren wir nur eine Hand voll Studenten. Das, was jedoch unterrichtet wurde, fand ich sehr spannend. Daher stand für mich schnell fest, dass ich meinen Schwerpunkt im IPR mache und dann später auch in diesem Bereich promoviere. Da ich meine Schwerpunktbereichsarbeit seinerzeit über die Rom III-Verordnung (anwendbares Recht auf Scheidungen) geschrieben habe, war es denklogisch, dass ich mich dann für die europäische Erbrechtsverordnung oder die geplante Güterrechtsverordnung entscheide („better the devil you know“). Da Güterrecht besser zu Scheidungen passte, habe ich mich dann gegen das Erbrecht entschieden. Nachdem ich zwei Wochen nach der Themenfindung bereits viele Unterlagen zusammen hatte, nahm ich mir ein weißes Blatt Papier und einen Stift. Ich schrieb meine Gliederung – so wie sie mir in dem Augenblick sinnvoll erschien – handschriftlich runter. Ich besprach die Gliederung gleich danach mit meiner Doktormutter. Sie ergänzte lediglich einen weiteren Punkt. Die Gliederung behielt ich – bis auf redaktionelle Änderungen – bis zum Schluss bei.

Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?

Ein Exposé musste ich nicht schreiben.

Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?

Da ich über einen Verordnungsentwurf promoviert habe, gab es nicht wirklich viele Primärquellen. Die Dokumente der Kommission und der Ausschüsse fand ich ganz klassisch über die eine Online-Recherche. Wichtige Sachen habe ich stets gedruckt und in einen Ordner geheftet. Am Ende hatte ich drei komplette Ordner mit Ausdrucken und Kopien. Die IPR-Abteilung meines Juridicums kannte ich dann nach kurzer Zeit auswendig. Wenn immer ich während meiner Promotion in anderen größeren Städten war, ging ich dort einmal in die Bibliothek und schaute nach, ob sich noch etwas Brauchbares findet.

Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?

Meine Doktormutter gab mir einen wichtigen Ratschlag, welchen ich auch so berücksichtigt habe: „Eine Promotion schreibt man von Anfang an.“

Gemeint ist, dass man wirklich mit der Einleitung beginnt und diese zuerst schreibt, quasi als ausformulierte Orientierung und im Anschluss alles systematisch von seiner Gliederung abarbeitet – Punkt für Punkt. Natürlich wird es immer Abschnitte einer Dissertation geben, die man lieber schreibt als andere. Wenn man sich aber strikt an die obige Grundregel hält, läuft man nicht Gefahr, sich in den einzelnen Kapiteln zu verlieren. Lästige Kapitel kann man so auch nicht aufschieben.

Ich habe mich immer daran gehalten. Das „reine“ Schreiben dauerte daher auch nur ca. ein Jahr.

Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?

Drei Freunde haben meinen Entwurf Korrektur gelesen. Jeder unter einem anderen Aspekt: Rechtsschreibung und Grammatik, Verständnis und Jura (also IPR).

Das Einarbeiten der Korrekturen hat unglaublich viel Zeit in Anspruch genommen. Das habe ich ein wenig unterschätzt. Mein Entwurf hatte über 200 Seiten. So mussten dann am Ende mehr als 600 Seiten mit verschiedenen Änderungen in den Entwurf eingearbeitet werden. Da ich damals schon im Referendariat war und auch nebenbei noch in einer Kanzlei gearbeitet habe, blieb am Ende in dieser Phase nicht wirklich viel Freizeit über. Ich würde daher immer dazu raten, die Dissertation erst einzureichen und dann in das Referendariat zu gehen. Ich bin der Überzeugung, dass eine Dissertation nach dem ersten Staatsexamen stets leichter zu realisieren ist, als nach dem zweiten Examen.

Wie hast Du Dich auf die Disputatio(n) vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio(n) und die Diskussion?

Ich hatte – da ich vorher noch die Examensklausuren geschrieben habe – nur knapp zwei Wochen zur Vorbereitung. Ich habe zunächst den Vortrag vorbereitet.
Thema meiner Promotion war ein Entwurf der Europäischen Kommission aus 2011. 2013 wurde dieser überarbeitet. Die Änderungen entsprachen im Wesentlichen dem, was ich seinerzeit schon moniert hatte. Ich habe die Änderungen erklärt und gewürdigt. Am Ende bestand mein Vortrag aus neun Seiten Stichpunkten. Ich bin den Vortrag mehrfach durchgegangen, so dass ich ihn nahezu frei halten konnte.

Der Vortrag dauerte am Ende rund 40 Minuten. Danach stellte die Prüfungskommission hierzu Fragen. Im Anschluss folgten Fragen im Allgemeinen zum internationalen Familienrecht und IPR und auch ein bisschen Europarecht. Zum Schluss wurde ich strafrechtlich zur ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB) und den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) geprüft. Meine Verteidigung fand unmittelbar nach dem Germanwings Unglück statt. Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB wurde damals diskutiert. Die gesamte Verteidigung dauerte gut zwei Stunden.

Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess?

Ziemlich genau ein Jahr. Ich musste nach der Verteidigung noch ein weiteres Kapitel schreiben, da sich mein Thema während der Promotion änderte. Dies war so eine Art „Auflage“ der Prüfungskommission. Die Formatierungen für den Verlag waren auch zeitintensiv.

Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?

Ich habe nie an der Promotion gezweifelt. Wenn ich einfach zu fertig von allem war, habe ich versucht, mich auf die Zeit „danach“ zu freuen. Unmittelbar nach der Verteidigung stand die Wahlstation im Ausland an. Am Tag meiner Verteidigung waren meine Familie und Freunde vor Ort. Meine ganze Familie und viele Freunde haben sich meine komplette(!) Verteidigung „angetan“. Das hat mich unmittelbar vor der Prüfung noch einmal sehr motiviert. Meine Eltern organisierten für den Anschluss einen kleinen Empfang in meinem alten Lieblingscafé. Auch die Professoren waren dabei. Bereits eine Stunde nach der Verteidigung war irgendwie alles vergessen.

Während des Schreibens waren es ebenfalls Familie und Freunde, die mich immer wieder ablenkten, wenn ich es brauchte. Dann fand man auch wieder die Motivation, am Sonntag in die Uni zu gehen.

Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?

Ich hatte eine Freundin, die bereits in Jura promoviert hatte. Von ihr erhielt ich immer wertvolle Tipps. Ansonsten konnte ich inhaltliche Aspekte immer mit einem Freund diskutieren. Das half sehr.

Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?

Ich habe nebenbei an der Uni gearbeitet und später in einer Kanzlei. Das hat für das Wichtigste gereicht. Den Rest glich – zum Glück – immer meine Familie aus.

Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?

Nein.

Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?

1. Wenn man promovieren möchte, immer gleich nach dem ersten Staatsexamen. Nach dem zweiten Staatsexamen ist der Drang groß, unmittelbar in das Berufsleben einzusteigen. Eine Promotion neben einer vollen Richterstelle oder gar einer Anstellung in einer Großkanzlei ist nur schwerlich bis gar nicht zu realisieren.

2. Promoviere in einem Gebiet, das Dich interessiert. Ich glaube, dass man dann viel motivierter ist, als wenn dir ein Dritter das Thema aufoktroyiert.

3. Wirklich von vorn anfangen: Einleitung schreiben, dann den Hauptteil und dann den Schluss.

Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?

Mich hat die Promotion – insbesondere die Fertigstellung der Arbeit neben Referendariat und Nebenjob in einer Großkanzlei – phasenweise stark an meine Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Die kannte ich damals so noch nicht – auch nicht vorm ersten Examen. Aus solchen Situationen lernt man. Ich weiß, wie wichtig Zeitmanagement ist.

Da ich unmittelbar nach der Veröffentlichung der Arbeit als Anwältin in einer Prozessabteilung angefangen habe, glaube ich, dass einen die Erfahrungen vom Schreiben/Korrigieren auch ein wenig für den Berufsalltag sensibilisieren. Manchmal sitze ich mehrere Tage am Stück an einem Schriftsatz. Das kennt man dann ein wenig.

Unmittelbar nach meiner abgeschlossenen Promotion kam dann die Anfrage meiner Fakultät, ob ich Interesse an einem Lehrauftrag habe. Mittlerweile bin ich Honorardozentin im Internationalen Privatrecht an meiner Alma Mater und durfte jüngst an der Neuauflage eines Nomos Kommentares mitschreiben.

Nach meinem persönlichen Empfinden hat man im Berufsalltag in einer Kanzlei auch einige Vorteile. Grundsätzlich ist eine Promotion in einer Großkanzlei immer gern gesehen. Insbesondere als Junganwältin hatte ich manchmal das Gefühl, dass mir der Doktorgrad in einigen Situationen ein wenig mehr Respekt beim Gegenüber – insbesondere vor Gericht – verschafft hat. Aber wie gesagt, das ist nur meine Einschätzung.

Gibt es sonst noch etwas, was Du gerne sagen möchtest?

Einfach durchziehen und an den eigenen Zeitplan halten. Wenn man die Urkunde dann in der Hand hält, sind auch die schlimmen Phasen komplett vergessen.

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