Vor einiger Zeit habe ich in einem Beitrag darüber berichtet, warum ich gerne zu Nachwuchstagungen gehe. Ein großer Vorteil dieser Tagungen ist, dass man sich mit Gleichgesinnten vernetzen kann. Auf einer solchen Tagung habe ich auch meinen Interviewpartner Felix Berner kennengelernt. Felix hat in Tübingen studiert und wurde ebenfalls dort im Internationalen Privatrecht promoviert. Nach seinem Referendariat bereitet er nun eine Habilitation vor. Als wir uns im April auf der Tagung der jungen IPR’ler kennen gelernt haben, haben wir schnell gemerkt, dass uns ähnliche Themen bewegen. Daher freue ich mich, dass er heute über seine Promotionszeit berichtet und über Themen wie seine Vorgehensweise und die Einteilung seiner Arbeitsphasen spricht.
Zu welchem Thema hast Du promoviert?
Kollisionsrecht im Spannungsfeld von Kollisionsnormen, Hoheitsinteressen und wohlerworbenen Recht
An welcher Hochschule?
Eberhard Karls Universität Tübingen
Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat?
Meine Promotionsphase begann nach dem ersten Staatsexamen (Juli 2015) und endete mit meiner mündlichen Prüfung im Juni 2017. Die Arbeit habe ich vor dem Referendariat geschrieben, die mündliche Prüfung hatte ich nach Beginn des Referendariats.
Was machst Du heute?
Ich bin nach dem Referendariat wieder zurück an der Universität Tübingen und bereite einen Antrag auf Beginn einer Habilitation vor.
Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?
Meine Promotionszeit habe ich als schöne, wenn auch sehr arbeitsintensive Zeit in Erinnerung. Mit der Themensuche habe ich Ende Juli 2015 begonnen und hatte ca. drei-vier Wochen später ein Thema. Neben dem Abschluss des Exposés und der Zusage eines Stipendiums war der wohl wichtigste Zwischenschritt der Abschluss meiner rechtshistorischen Forschungen, weil diese damit einhergingen, (vor allem) einen längeren lateinischen Text selbstständig zu übersetzen – was für mich eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe war. Danach hatte ich das Gefühl, dass das schwierigste überwunden war, was psychologisch ein großer und befreiender Zwischenschritt war. Meine Disputation war Ende Juni 2017, ca. 3 Monate nach Beginn meines Referendariats statt.
Wie hast Du deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?
Ich war bereits zuvor studentische Hilfskraft am Lehrstuhl meines Doktorvaters.
Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?
Ich hatte mich zunächst mit verschiedenen anderen (kollisionsrechtlichen) Themen beschäftigt und mit meinem Doktorvater besprochen, der mir sehr geholfen hat, meine schlechten ersten Themenideen zu verwerfen und mir Anregungen für Themenfelder gegeben, in die ich mich einlesen konnte. Aus einem dieser Themenfelder konnte ich die Anregung für mein Thema gewinnen. Der Titel und meine Kernthesen haben sich seit der Exposé-Phase nicht mehr geändert.
Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?
Ich habe zum einen ein Exposé geschrieben, um mir einen Überblick über das Thema zu verschaffen und zu schauen, ob es direkt etwas zu dem Thema gibt. Zum anderen habe ich mich mit dem Exposé auf ein Stipendium beworben. Mir persönlich hat es sehr viel gebracht. Es hat meine Gedanken geordnet und ein klares Programm vorgegeben, das ich abarbeiten und an welchem ich meinen Fortschritt messen konnte. Zudem konnte ich das Exposé mit einigen Aktualisierungen und Veränderungen fast vollständig als Einleitung wiederverwenden.
Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?
Mir fiel es, wie bereits erwähnt, schwer, einen lateinischen Text aus dem 16. Jahrhundert zu übersetzen. Schwer fiel mir auch, Texte zu lesen, bei denen ich mir relativ sicher war, dass sie keine neuen Erkenntnisse bringen werden, ich sie aber lesen musste, weil man sich nie zu hundert Prozent sicher sein kann, dass der Text nicht doch eine neue Information oder Anregung bringt.
Meine Literatur habe ich in Ordnern verwaltet, viel in kopierter, einiges auch in digitalisierter Form. Die Notizen habe ich in Word-Dateien geführt, wobei ich die Worddateien so klein wie möglich und so groß wie nötig gehalten habe. Meistens bezog sich eine Worddatei auf ein (Unter-)Kapitel. Dies hatte den Vorteil, dass ich in jedem Stadium der Arbeit Ideen, Nachweise u.a. richtig zuordnen konnte und sofort zu Händen hatte, wenn ich das betreffende (Unter-)Kapitel begann.
Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?
Ich hatte zunächst versucht, erst alles zu recherchieren und dann zu schreiben. Nach zwei Monaten reiner Recherche habe ich dann gemerkt, dass das für mich nicht der richtige Weg ist. Es fiel mir deutlich leichter, wenn man Fortschritt sah. Ich bin darauf zu einem dreigliedrigen Vorgehen übergegangen: Zu jedem Unterkapitel (manchmal auch zu jeder Überschrift, soweit sich die Überschriften recherchetechnisch reibungslos abschichten ließen) habe ich zunächst die grundlegenden Werke gelesen. Als zweiten Schritt habe ich mir eigenständige Gedanken gemacht (soweit ich nicht bereits vor einem Unterkapitel eine Ausgangsthese hatte) und diese eigenständigen Gedanken verschriftlicht. In einem dritten Schritt habe ich alles gelesen, was ich zu dem Thema finden konnte und anhand dessen meinen angefertigten Text überprüft.
Dieses Vorgehen hat einen offensichtlichen Nachteil. Man muss sich bewusst sein, dass es nicht nur einmal vorkommen wird, dass man einen bereits geschriebenen Text entweder komplett umschreiben oder auch teilweise einfach löschen muss, wenn sich herausstellt, dass Annahmen oder eigene Thesen nicht zutreffen.
Für mich war es trotzdem der richtige Weg. Zunächst verhinderte es, dass man oft Gelesenes in ähnlicher Sprache (bewusst oder unbewusst) wiedergibt. Zweitens schreibt man seinen Kerntext zu einem Zeitpunkt, an dem man sich noch nicht zu lange mit einem Thema beschäftigt hat, das Thema damit zu diesem Zeitpunkt noch neuer und spannender für einen selbst ist und sich das hoffentlich auch im Text widerspiegelt. Der Text wird deswegen „spannender“, weil man oft Fragen aufwirft, zu denen man selbst noch keine Antwort hat und diese Antwort dann sucht, was sich ebenfalls im Text niederschlägt und ihm eine Struktur gibt. Letztlich ist man deutlich geneigter, eigene Thesen/Erkenntnisse aufgrund überzeugenderen Argumenten über Bord zu werfen, wenn man den Text mit der steten Möglichkeit verfasst, dass man dies manchmal wird machen müssen.
Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?
Jeder Teil meiner Dissertation wurde vor Abgabe von mindestens zwei Personen Korrektur gelesen. Das verhindert nicht, dass man auch nach Druckfassung immer noch kleiner Druckfehler findet, damit muss man sich leider abfinden.
Wie hast Du Dich auf die Disputatio vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio und die Diskussion?
Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits im Referendariat war, hatte ich nicht viel Zeit, mich vorzubereiten. Das ist, denke ich, bei einer Disputation auch nicht erforderlich, wenn nicht zu viel Zeit zwischen Abschluss der Arbeit und der Disputation vergeht. Man hat so viel Zeit mit dem Thema verbracht, dass man Fragen zu dem Thema beantworten kann. Wichtig ist selbstverständlich der Vortrag. Hier bietet es sich meiner Erfahrung nach an, vor der Disputation die Thesen Dissertation bereits an einer anderen Universität vorzustellen.
Meine Disputation und die dazugehörige Diskussion verliefen sehr angenehm.
Wie bist du dazu gekommen, Deine Thesen an einer anderen Universität vorab vorzustellen?
Soweit ich mich noch erinnern kann, hatte ein ehemaliger Habilitand unserer Fakultät mich auf die Vortragsreihe von Prof. Weller an der Universität Heidelberg hingewiesen. Daraufhin hatte ich mich einfach mit einer Kurzzusammenfassung sowie Kurzlebenslauf beworben.
Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess? Hast Du im Anschluss deine Dissertation vermarktet? Wie?
Der Veröffentlichungsprozess hat ca. 6 Monate gedauert.
Vermarktet habe ich die Dissertation, indem ich versucht habe, sie den Autorinnen und Autoren zu übersenden, die sich mit Grundlagen des IPR beschäftigen und insbesondere denen, mit deren Werken ich mich am meisten beschäftigt hatte.
Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?
Erstens hat mir meine Pausenregelung geholfen.
Soweit es möglich ist, würde ich Urlaube/Erholungsphasen so spontan wie möglich halten und nach Abschluss eines Abschnitts oder nach Erreichen eines bestimmten Ziels einsetzen. Das können dann auch durchaus kurze Erholungsphasen sein, beispielsweise einen (Wochen-)Tag oder ein paar Tage nicht zu arbeiten. Für mich hat sich das sehr gelohnt. Ich hatte stets etwas, auf das ich mich freuen konnte, wenn ich einen weiteren (Teil-)Abschnitt fertiggestellt hatte. Zudem bekommt man durch die freie Zeit den Kopf frei, um mit einem frischen Blick den zuvor erstellten Text zu überarbeiten und zu verbessern.
Allgemein würde ich raten, die Freiheit der Promotionszeit zu nutzen und zu arbeiten, wenn man produktiv ist. Ich würde jeden Tag als Arbeitstag definieren (auch die Wochenenden), und am Wochenende arbeiten, soweit man Zeit hat und keine privaten Termine entgegenstehen. Das bedeutet nicht, dass man keine Pausen oder freie Tage machen sollte. Man sollte die Pausen nur so legen, dass man sie hat, wenn man sie braucht. Beispielsweise waren bei mir sehr oft die Dienstag Nachmittage völlig unproduktiv, weshalb ich irgendwann dazu übergegangen bin, nicht selten am Dienstag nach dem Mittagessen nach Hause zu gehen.
Zweitens helfen natürlich die üblichen Dinge, insbesondere Sport und Reden mit Freunden. Zuletzt sollte man sich daran erinnern, dass es sich um eine schöne, weil sehr freie Zeit handelt.
Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?
Nein.
Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?
Ich hatte über weite Teile neben einer kleinen Stelle an der Universität ein Stipendium. Das hatte nur Vorteile. Neben der finanziellen Sicherheit ermöglicht es, sich noch intensiver mit der Dissertation zu beschäftigen.
Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?
Nein.
Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?
Plakativ zusammengefasst: Ein gutes Thema ist die halbe Miete. Wichtig ist auch eine gute Gliederung und ein „small goals“-Denken.
Ein gutes Thema zeichnen für mich verschiedene Dinge aus. Zum einen sollte es so fassbar sein, dass man es in dem selbst realisitisch vorgebeben Zeitrahmen bearbeiten kann. Zweitens sollte man – soweit das möglich ist – mit einer Idee und nicht unbedingt mit einem Thema starten. Mit einer Idee meine ich einen Gedanken, von dem man zumindest denkt, er sei etwas “Neues”. Mit der Idee hat man dann auch ein gutes Thema.
Die Gliederung hängt natürlich sehr vom Thema ab. Sie zeichnet sich für mich aber vor allem durch zwei Dinge aus: Erkenne ich bereits an der Gliederung einen roten Faden? Ist die Gliederung gedanklich so ausgereift, dass ich zumindest im Groben das Thema durch die Gliederung zu dem von mir angestrebten Maße bearbeiten und deshalb auch die Gliederung, wenn ich sie habe, “abarbeiten” kann?
Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?
Ich würde mich auf jeden Fall wieder für eine Promotion entscheiden. Es ist eine persönlich spannende Zeit, weil man sich so intensiv mit einem Thema und den eigenen juristischen Fähigkeiten befassen muss und daran wachsen kann.