Vincent Nossek hat in Bonn studiert und promoviert und danach am OLG Celle sein Referendariat absolviert. Bis Juni 2022 arbeitete er anschließend in Hamburg in einer großen Wirtschaftskanzlei, seither ist er Referent im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Berlin. Seine Dissertation hat Vincent zu einem zugleich rechtshistorischen und rechtsvergleichenden Thema geschrieben. Im Interview mit Dr. jur. spricht er unter anderem über die Herausforderungen einer solchen Arbeit, über die Liebe zu seinem Dissertationsprojekt und darüber, wie er Arbeit und Promotion unter einen Hut gebracht hat.

Zu welchem Thema hast Du promoviert?

Ich habe zur rechtsvergleichenden Geschichte des Grundbuchrechts promoviert. Konkret zu dem Thema: „Das Konzept »Grundbuch« – Der Streit um das Grundregister in Deutschland, Frankreich und England zwischen 1652 und 1900“.

Wann begann und endete Deine Promotionsphase? Vor oder nach dem Referendariat?

Beginn war Ende April 2014, Einreichung bei der Fakultät war im Sommer 2018, Disputation war im November 2018, Verleihung der Doktorwürde war im Mai 2019 und das gedruckte Buch habe ich im Dezember 2019 erhalten.

Meine Promotionsphase hat vor dem Referendariat begonnen und ging bis in das Referendariat (Referendariatsbeginn war der 1. Dezember 2017).

Wie lief Deine Promotion ab? Wann hast Du mit der Themensuche begonnen, wann hattest Du das Thema gefunden und festgelegt, wann hast Du Deine Schriftfassung final abgegeben, wann war die Disputatio/Rigorosum? Und welche wichtigen Zwischenschritte gab es dazwischen?

Die „Themensuche“ als solche war eigentlich keine, denn mein Doktorvater, an dessen Institut ich schon vier Jahre als studentische Hilfskraft gearbeitet hatte, hat mich vor meiner mündlichen Prüfung des 1. Staatsexamens gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei ihm zu promovieren. Das habe ich bejaht und er sagte, wegen eines Themas könnten wir uns dann nach der mündlichen Prüfung zusammensetzen. In der Woche nach meiner mündlichen Prüfung haben wir uns dann zusammengesetzt und mein Doktorvater hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, zur Geschichte des Grundbuchs zu promovieren, da es hier noch keine monographische Bearbeitung gäbe. Ich bat mir aus, einen rechtsvergleichenden Ansatz mit einem Vergleich des Deutschen, Französischen und Englischen Rechts durchzuführen, was mein Doktorvater begrüßte. Damit war das Thema (grob) abgesteckt. Das Gespräch war relativ kurz und einvernehmlich. Gut eine Woche nach meiner mündlichen Prüfung des 1. Staatsexamens hatte ich also bereits mein Promotionsthema.

Die Schriftfassung habe ich im Sommer 2018 final bei der Fakultät eingereicht. Die Disputatio fand im November 2018 statt.

Wichtige Zwischenschritte:

Die wichtigsten Zwischenschritte für mein Promotionsvorhaben waren die Auslandsaufenthalte im Jahr 2015 in Paris und Reading/Oxford. Beide Aufenthalte haben meine Arbeit inhaltlich und mich menschlich sehr bereichert.

Wichtiger Zwischenschritt war auch die Fertigstellung der ersten Fassung zur internen Abgabe an den Doktorvater im Frühjahr 2017. Hierfür habe ich die Arbeit straffen und umstellen müssen.

Daneben war es für mich noch sehr wichtig, auf der Rheinisch-Westfälischen Graduiertenschule Vorträge über mein Projekt zu halten (2015 und 2017) sowie auf dem französischen Rechtshistorikertag im Panel für Doktoranden über die Arbeit sprechen zu dürfen (2017).

Wie hast Du Deinen Doktorvater/Deine Doktormutter gefunden?

Ich hatte bereits vier Jahre am Institut meines Doktorvaters gearbeitet und er hat mich angesprochen, ob ich nach erfolgreichem 1. Staatsexamen bei ihm promovieren wolle, was ich stolz bejahte.

Wie bist Du auf Dein Thema gekommen? Wie sah die Ausgangsfassung Deines Themas aus und wie entwickelte es sich im Laufe der Promotion?

Das Thema „Geschichte des Grundbuchrechts“ war ein Vorschlag meines Doktorvaters. Mein Einfluss war, dass hieraus ein Rechtsvergleich zwischen Deutschland, Frankreich und England entstanden ist.

Die Ausgangsfassung hatte eine engere Fragestellung, die ich im Laufe der Bearbeitung ausgeweitet habe, um umfassendere Thesen aufstellen und einen umfassenderen Vergleich anstellen zu können. Meine Ausgangsfragestellung befasste sich lediglich mit dem “Einsichtsrecht in das Grundbuch”. Diesen Aspekt hätte man gut in den drei Ländern vergleichen können. Mir ist aber während der Forschung klar geworden, dass die Frage, wer unter welchen Bedingungen Einsicht in das Grundbuch/Grundregister haben soll, eng verbunden ist mit der Frage, welche Inhalte im Grundbuch/Grundregister eingetragen werden. Darüber bin ich auf die allgemeineren Grundsätze (oder auch “Prinzipen”) des Grundregisterrechts gestoßen. Diese waren z.B. das Eintragungsprinzip, aber auch das Publizitätsprinzip, dessen Facette das “Einsichtsrecht” ist. 

Was ist das Besondere an einer rechtshistorischen Arbeit im Vergleich zu einer “klassisch” juristischen? Hast Du Tipps für eine solche Arbeit?

In meiner Erfahrung ist das besondere an einer rechtshistorischen Arbeit, dass man sich auch mit Methoden der historischen Forschung befassen muss. Geholfen hat mir, einen klaren quellenexegetischen Fokus einzunehmen. Das hieß, dass ich Gesetze und Gesetzgebungsprozesse in den Mittelpunkt meiner Forschung gestellt habe und mich größtenteils auch sehr minutiös mit dem Gesetzeswortlaut auseinander gesetzte habe. So konnte ich sicherstellen, dass der Hauptteil meiner Arbeit in dem erlernten Bereich der Gesetzesauslegung stattfindet. Ich habe mich daher allerdings auch dagegen entschieden, die untersuchten Gesetze und Gesetzgebungsprozesse vollumfänglich wirtschaftshistorisch einzuordnen – was ein Kritikpunkt an der Arbeit war.   

Hast Du ein Exposé geschrieben? Wenn ja, was hat es Dir gebracht?

Ja, ich habe von Mai 2014 bis zum 31. August 2014 ein Exposé geschrieben – maßgeblich mit dem Ziel eine Förderung meiner Auslandsaufenthalte zu erhalten. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Exposé notwendig für den Erfolg meines Promotionsprojekts war. Nett war, während des Exposés schon einmal einen eigenen Stil auszuprobieren und einige der wegweisenden Gesetze und Quellen sowie Werke der Sekundärliteratur kennen zu lernen, ohne dass es direkt in den Haupttext der Arbeit einfließen musste. Das Exposé hatte allerdings noch eine engere Fragestellung, die ich erst einige Zeit später erweitert habe. Außerdem habe ich das Exposé von Freunden und Kollegen Korrektur lesen lassen, was erste Reaktionen zu meiner Arbeit zeitigte. Das war vielleicht ein wesentlicher Vorteil des Exposés, dass man schon mit positivem und auch negativem Feedback konfrontiert wird und hieraus seine Schlüsse ziehen kann.

Was fiel Dir bei der Recherche besonders schwer? Wie hast Du Literatur und Notizen verwaltet und organisiert? Hast du irgendwelche Tipps?

Im rechtshistorischen Bereich sind glücklicherweise viele Quellen digitalisiert worden, so dass man bequemen Zugang hat. Schwer wurde es dann, wenn man Zugang nur über bestimmte Bibliotheken hatte und teilweise die Bücher zu stark beschädigt waren, um sie zu erhalten. Herausfordernd war es zudem, wenn man über einige andere Werke auf eine wichtige Quelle gestoßen war und diese schlicht nicht auffindbar war. Hier stellte sich dann die Frage, wie man damit in der Arbeit umgeht.

Ich habe zunächst mit einer gängigen Literaturverwaltungssoftware gearbeitet, die jedoch zum Schluss meiner Arbeit (vielleicht auch wegen des mehrfachen Wechsels des Endgeräts) nicht mehr richtig funktionieren wollte. Das war sehr frustrierend, weshalb ich fast eher empfehlen würde, die Fußnoten und das Literaturverzeichnis händisch zu pflegen. Das ist sicherlich anstrengend, aber die Wahrscheinlichkeit, dass durch einen Softwarefehler alle Fußnoten auf einmal falsch formatiert sind oder andere „Bugs“ auftauchen, ist minimiert.

Meine Notizen habe ich handschriftlich verfasst und auch die Konzeption der Kapitel habe ich handschriftlich skizziert. Der Prozess des Aufschreibens oder „Aufmalens“ hatte eine wichtige Visualisierungsfunktion für mich und hat mir geholfen, meine Gedanken zu strukturieren.

Ich würde empfehlen, viel mit Bleistift zu skizzieren. Verwerfen kann man dann immer noch sehr leicht.

Wie hast Du Dich in die ausländischen Rechtssysteme eingearbeitet? Hast Du Tipps für eine rechtsvergleichende Arbeit?

Zunächst habe ich versucht Übersichtsliteratur zu finden, die sich allgemein mit dem Immobiliarsachenrecht befasst. Das waren teilweise im ersten Zugriff Lehrbücher, über die ich dann auf größere Monographien gestoßen bin, um mich schließlich in die Primär- und Sekundärliteratur zur entsprechenden Epoche vorzuarbeiten. Ich denke, es ist wichtig, sich mit der Methode der Rechtsvergleichung auseinanderzusetzen. Hier bieten Bücher, wie das von Kötz/Zweigert einen sehr guten ersten Zugriff. Auch eine Auseinandersetzung mit Ernst Rabel kann ich sehr empfehlen. Erst wenn man eine Struktur der Arbeit geschaffen hat (z.B. erst separate “Länderberichte” und dann ein “vergleichender Teil”), kann man m.E. richtig sinnvoll loslegen.

Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?

Nach Abschluss des Exposés habe ich im September 2014 direkt angefangen, ein (allgemeineres) Kapitel zu schreiben. Das war für mich sehr wichtig, da ich wusste, dass ich sehr viele verschiedene Zeiträume in drei verschiedenen „Ländern“ und noch viel mehr verschiedenen Regionen abzuhandeln hatte.

Das waren grundsätzlich in sich geschlossene Kapitel und daher war es mir wichtig, im Peak meines Wissens über das konkrete Kapitel die Erkenntnisse niederzuschreiben. Zudem kann man dann schon präzise Fußnoten setzen und es geht kein Wissen verloren.

Daneben war es für mich psychologisch sehr wichtig, einen immer wachsenden Textkörper zu haben, den ich verschieben und verändern konnte – quasi wie eine Lehmmasse, die man immer wieder neu formen kann. Ohne diese (Text-)Masse wäre mir das zu theoretisch gewesen. Eine Abschlussredaktion ist so oder so notwendig. In dieser Abschlussredaktion habe ich beispielsweise mein zuerst geschriebenes Kapitel stark gekürzt, was dem Kapitel und der Arbeit m.E. gut getan hat. Es war aber drei Jahre zuvor ein wichtiger Prozess, das Kapitel zunächst so ausführlich aufzuschreiben.

Ich würde daher empfehlen sehr schnell mit dem Schreiben anzufangen, um keine falsche Scheu zu entwickeln. Daneben würde ich empfehlen, „mittendrin“ also auf keinen Fall mit der Einleitung o.Ä. anzufangen, sondern direkt in medias res zu gehen und ein beliebiges Kapitel mitten in der Arbeit niederzuschreiben.

Welche Überarbeitungsschritte waren für Dich am Wichtigsten? Hattest Du Korrektur-Leser?

Einer der wichtigsten Schritte für die Endfassung der Arbeit war die Einarbeitung der sprachlichen Korrekturen eines guten Freundes, der die Arbeit sprachlich Korrektur gelesen hat. Daneben habe ich die Arbeit auch nach den internen Vorabgaben bei meinem Doktorvater überarbeitet, was ebenfalls wichtige Schritte waren.

Wie hast Du Dich auf die Disputatio vorbereitet? Wie hast Du die Thesen ausgewählt? Wie verlief die Disputatio und die Diskussion?

Ich habe ein dreiseitiges Thesenpapier verfasst, das mir die nochmalige Auseinandersetzung mit den Thesen der Arbeit ermöglicht hat und mich aufgrund des begrenzten Raumes gezwungen hat, ein großes Abstraktionslevel einzuziehen. Bei den Thesen habe ich mich an dem Thesenteil meiner Arbeit orientiert. Daneben habe ich den Disputationsvortrag von ca. 20 Minuten mehrfach geprobt. Die Disputation war in Ordnung, die Kritikpunkte konnte ich aus den Gutachten bereits antizipieren und war daher auf die nicht unkontroverse Diskussion vorbereitet.  

Wie lange hat es von der Disputatio zur Veröffentlichung gedauert? Wie verlief der Veröffentlichungsprozess? Hast Du im Anschluss deine Dissertation vermarktet? Wie?

Es hat etwas mehr als ein Jahr gedauert. Die Disputatio war am 27. November 2018 und das gedruckte Exemplar habe ich am 23. Dezember 2019 in den Händen gehalten. Gemeinsam mit meinem Doktorvater haben wir die Verlage besprochen und die Schriftenreihen, in denen eine Veröffentlichung in Betracht käme. Daraufhin habe ich zwei Verlage angesprochen und mich nach ausführlicheren Gesprächen und der Prüfung der beiden Angebote für einen Verlag entscheiden. Anschließend ging es um eher formale Fragen, wie die Umformatierung der Fußnoten, die ich mit der Herstellerin des Verlags geklärt habe. Der Verlag hat die Dissertation vermarktet.

Wie hast Du Dich motiviert, an der Stange zu bleiben? Was hat Dir in schweren Zeiten, bei Zweifeln etc. geholfen?

Zweifel an der Arbeit und daran, dass ich das Projekt zu einem Ende bringen möchte, hatte ich glücklicherweise nicht wirklich, da ich das Projekt wirklich sehr geliebt habe und auch weiterhin sehr glücklich damit bin. Es war und ist meines Geistes Kind und dafür habe ich sehr gekämpft und mich sehr stark engagiert. Meine Motivation war, dass ich die beste Dissertation abliefern wollte, die mir möglich war. Der selbstgewählte Auslandsbezug war hier ein unglaublicher Motivator, da ich Quellen erschließen konnte, von denen ich wusste, dass sie in dieser Form noch nicht für den deutschen Leser erschlossen wurden und teilweise habe ich sogar Quellen ausführlich bearbeitet, die auch in der ausländischen Literatur nur unter “ferner liefen” zu finden waren. Das Betreten von verhältnismäßigem Neuland war ein unglaublicher Motivator – genau, wie auch Vorträge zu der Arbeit und der Austausch mit anderen (ausländischen) Kolleg:innen sehr bereichernd war. Ich wollte dann unbedingt, dass ich diese positiven Erfahrungen in ein fertiges Buch ummünzen konnte und auch die negativen Erfahrungen mit der Publikation heilen konnte. Das war meine Genugtuung für die erhaltenen Rückschläge, mein Lohn für den Fleiß und Quelle meines Stolzes.

In meiner Erfahrung ist es wichtig, das Promotionsprojekt immer wieder in einen festen Rahmen zu setzen. Das fällt schwer, wenn man wieder eine Spätschicht für die Diss schiebt und übermüdet nichts anderes als das Projekt sehen kann. In solchen Phasen ist man in meiner Erfahrung sehr verletzlich bei Kritik an dem Projekt oder anderen Rückschlägen. Es ist in solchen Phasen daher gut, wenn man viel mit Menschen spricht; seien es Kolleg:innen, Freund:innen oder Familie, die sich auch mit anderen Sachen beschäftigen, damit die eigenen Probleme relativiert werden. Sicherlich ist es auch gut, mit anderen Promovend:innen zu sprechen und das gemeinsame “Leid” zu beklagen, aber man sollte nie vergessen, dass es ein großes Privileg ist, an einer Forschungsarbeit sitzen zu können und sich vor Augen führen, dass das eigene Leben und Seelenheil mitnichten vom Erfolg des Promotionsvorhabens abhängt. Ich glaube, diese Kontextualisierung kann dabei helfen, die Scheuklappen etwas zu lüften, die man sich vielleicht vorschnell angelegt hat, um den Fokus für das Projekt zu haben. Daneben kann ich empfehlen, auch einige Tage frei von der Diss zu nehmen und vielleicht keine Quellen in den Sommerurlaub zu nehmen oder nicht noch schnell ein Buch auszuwerten auf dem Weg ins lange Wochenende. Eine klar(ere) Abgrenzung von Leben auf der einen und Diss auf der anderen Seite hilft m.E., dem Projekt seinen Platz zuzuweisen und hilft damit im Endeffekt auch, dass Rückschläge einen nicht in den Grundfesten erschüttern. 

Hattest Du irgendein Forum für Austausch mit anderen Doktorand*innen? Eine Arbeitsgruppe?

Wir haben an der Uni Bonn mit einigen Konsemestern eine kleine Gruppe von vier Promovend:innen gegründet, die sich zur Diss ausgetauscht haben. Da wir aber alle vier in unterschiedlichen Fachrichtungen promoviert haben, war die Gruppe eher für den Anfang und Fragen wie „Themenfindung“ und „Kontakt mit dem Doktorvater/der Doktormutter“ relevant. Daneben habe ich stets den Austausch mit anderen Doktorand:innen der Rechtsgeschichte, sei es im In- oder Ausland, gesucht.

Wie hast du Deine Promotionsphase finanziert? Was waren die Vor- oder Nachteile?

Ich habe während der gesamten Promotionsphase am Institut gearbeitet und daneben noch bei einer Strafverteidigerin als wissenschaftlicher Mitarbeiter gejobbt. Der große Vorteil der Institutsarbeit war, dass ich auch unterrichten konnte (Arbeitsgemeinschaften), was eine wundervolle Lebenserfahrung war und mir sehr viel Spaß und Erfüllung gebracht hat. Der Vorteil an der Arbeit bei der Strafverteidigerin war, dass ich hier mit einer anderen Realität fernab des universitären Kosmos konfrontiert wurde.

Nachteil an der Institutsarbeit war, dass sie phasenweise sehr einnehmend war und ich über einige Wochen die Arbeit an der Promotion ruhen lassen musste, was für mich sehr frustrierend war.

Ein weiterer Vorteil an der Arbeit an der Universität ist, dass die Dienstzeiten bei einer späteren Einstellung im öffentlichen Dienst teilweise positiv berücksichtigt werden.

Wie hast Du es geschafft, neben Arbeit am Institut und bei der Strafverteidigerin noch ausreichend Zeit für die Diss zu finden?

Hier muss ich leider ehrlich sagen, dass ich vor allem im letzten Jahr der Promotionsphase sehr häufig abends länger am Schreibtisch saß, da ich erst gegen 17 Uhr zur Diss gekommen bin. Daneben habe ich in dieser Zeit auch samstags grundsätzlich gearbeitet. Ich glaube, dass ich meinem Promotionsprojekt insoweit Vorrang vor einem frühen Feierabend oder einem stets freien Wochenende einräumen musste, um es neben den anderen beruflichen Herausforderungen erfolgreich beenden zu können – zumindest habe ich das so empfunden. Empfehlen kann ich ein solches Vorgehen ehrlicherweise aber nicht. Jede:r muss da seinen/ihren Weg finden und es ist nur begrenzt angenehm, wenn man auch im Sommer erst im Dunkeln nach Hause kommt, weil man noch so lange an der Diss “geschraubt” hat. 

Hast Du einen Forschungsaufenthalt oder Ähnliches gemacht? Wo? Und was hat es Dir gebracht?

Ich habe das Thema der Arbeit extra so gewählt, dass ich einen Forschungsaufenthalt in Paris und in Reading/Oxford machen konnte. Das war elementar wichtig für die Arbeit und ohne diese Aufenthalte ist die Arbeit nicht denkbar. Ich bin der Ansicht, dass eine umfassende rechtsvergleichende Arbeit von einer Forschung im Ausland lebt; nicht nur wegen der Vielzahl an Quellen und dem leichteren Zugang, sondern vor allem auch wegen des sich automatisch ergebenden Austausches und der Diskussionen mit den Kolleg:innen vor Ort. Eine Abhandlung über Fragen ausländischer Rechtsordnungen aus dem eigenen Heimatland heraus, ohne Reise in die betreffenden Länder halte ich persönlich für eher fragwürdig.

Neben den herausragenden inhaltlichen Impulsen war es wunderbar, mit den Kolleg:innen zu sprechen, Freundschaften zu knüpfen und natürlich auch an den Orten zu leben.

Wenn Du Dir selbst früher oder heute anfangenden Doktorand*innen drei Tipps bzw. Ratschläge geben könntest – welche wären das?

  1. Vertrau auf Deine Fähigkeiten. Diese Arbeit ist Dein Werk und Du darfst bestimmen, welche Gestalt Du ihm geben möchtest.
  2. Lass Dich nicht entmutigen, wenn es nicht so flüssig läuft, wenn Dein:e Betreuer:in sich nicht ausreichend Zeit für Dich nimmt oder die Arbeit etwas beiläufig behandelt – es ist Dein Buch und Du wirst es schaffen.
  3. Plane genug Zeit und Raum für die Arbeit ein. Manchmal läuft alles glatt, andere Male ist es sehr zäh oder Dir fehlt der Zugang zu wichtigen Quellen. Hetz Dich nicht, ins Referendariat oder in den Beruf zu kommen – beides kommt noch früh genug und läuft nicht weg. Die Dissertation sollte einen Eigenwert haben und nicht nur eine beliebige Etappe in Deiner Ausbildung sein.

Was hat Dir der Doktortitel und/oder die Promotionsphase als solche persönlich und beruflich gebracht? Was hast du in der Zeit neben dem Fachlichen gelernt? Inwiefern profitierst Du heute noch davon? Würdest Du Dich wieder für eine Promotion entscheiden? Was würdest Du wieder so machen, was ändern?

Persönlich konnte ich daran sehr wachsen, vor allem an den Rückschlägen, die ich dann für mich bearbeiten musste, um dennoch den Mut und die Energie für das Projekt aufzubringen. Danach kann man mit vor Stolz geschwellter Brust sagen: „Mich bekommt man nicht so schnell unter. Ich kann für meine Interessen einstehen.“

Beruflich hält sich der Mehrwert m.E. immer in Grenzen, wenn man nicht in der Wissenschaft bleiben möchte – was ok ist. Allein der akademische Titel ist für einige Menschen schon wichtig und manchmal ist es nett mit dem akademischen Titel angeredet zu werden.

Ich würde mich immer wieder für eine Promotion entscheiden, weil es eine sehr wegweisende und prägende Zeit meines Lebens war. Allerdings würde ich mir sehr fest vornehmen, mich nicht mehr so stark mit der Arbeit zu identifizieren, dass mich jeder Rückschlag im Projekt direkt auch persönlich trifft. Eine gewisse Distanz zum Projekt und auch zum/zur Betreuer:in ist m.E. ratsam.

Gibt es sonst noch etwas, was Du gerne sagen möchtest?

Promovieren zu können, ist ein wunderbares Privileg, das man genießen sollte. Eine Promotion hat das Potential eine wichtige, wenn nicht wegweisende, Etappe im eigenen Leben zu werden. Viel Spaß also!


Das Interview wurde im Juni/Juli 2022 geführt.