Die Themenfindung ist zugleich eine der ersten, der zentralsten und vielleicht auch der schwierigsten Fragen im Rahmen einer Dissertation. Viel hängt vom Thema einer Dissertation ab. Unabhängig davon, ob das Thema von der*dem Betreuer*in vorgeschlagen wird, aus einem Themenkatalog des*der Betreuer*in ausgewählt oder völlig selbstständig gefunden werden soll, können die folgenden Fragen genutzt werden, um ein wenig einzuschätzen, wie gut sich das vorgeschlagene Thema für die persönliche Dissertation eignet. Dabei ist zu beachten, dass ein Thema, das für den einen gut geeignet ist, für den anderen nicht funktioniert, und umgekehrt.

1. Welche Ziele strebe ich mit der Dissertation an?

Wer eine wissenschaftliche Karriere anstrebt oder sich zumindest vorstellen könnte, muss nicht unbedingt eine praxisnahe Dissertation schreiben. Es könnte wichtiger sein, ob ausreichend Raum da ist, eine eigene Meinung zu entwickeln, und vielleicht sogar etwas Aufmerksamkeit damit zu generieren. Strategisch klug kann es sein, ein aktuelles Thema zu nehmen, zu dem man im Anschluss an die Dissertation noch Aufsätze und Urteilsanmerkungen schreiben kann. Das hat aber zugleich den Nachteil, dass dann im Laufe der Promotion sich Änderungen ergeben können, und das Risiko, dass andere das Thema auch bearbeiten und früher fertig werden,

Vielleicht möchtet ihr aber auch einfach vor dem Start ins Referendariat noch ein wenig Zeit ohne Prüfungsvorbereitungs-Stress verbringen oder ihr promoviert vor allem, weil ihr für euer berufliches Ziel einen Doktortitel braucht oder er zumindest nützlich sein wird. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, ein praxisnahes Thema zu nehmen, vielleicht auch mit Bezug zum später vorgestellten Arbeitsfeld. Besonders eignet sich dann auch ein eher begrenztes Thema, damit sich die Promotionsphase nicht so lange zieht. Gerade, wenn es euch mehr um eine Pause geht, kann es aber auch gerade reizvoll sein, ein Thema zu nehmen, dass eher nicht so praktisch relevant ist und keinen Bezug zu examensnahem Stoff aufweist.

Auch unabhängig von der Themenwahl, ist es sinnvoll, sich am Anfang einmal darüber im Klaren zu werden, welches Ziel man mit der Dissertation verfolgt. Das kann hilfreich sein, um sich später zu motivieren, oder wenn nötig auch Kursanpassungen zu machen.

2. Habe ich Interesse an dem Thema?

Es sollte selbstverständlich sein: Ihr könnt ein noch so tolles Thema haben, wenn ihr euch nicht dafür interessiert, eignet es sich für euch nicht. Ihr werdet meist jahrelang an diesem einen Thema arbeiten, es von allen Seiten beleuchten und am Ende in- und auswendig können. Hofft nicht darauf, dass das Interesse erst noch kommt. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass ihr sofort beim ersten Kontakt mit dem Thema Feuer und Flamme sein müsst. Aber spätestens, wenn ihr euch eine Weile damit beschäftigt habt, sollte es euch aus sich heraus interessieren. Nur dann kann es als Motivationsfaktor im Laufe der Promotionszeit dienen, statt zusätzlichen Balast zu bedeuten.

3. Wie viel Literatur und Urteile gibt es schon, wie leicht ist es, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln?

Die Dissertation soll einen Beitrag zum Stand der Wissenschaft leisten. Natürlich kann das – gerade in den Rechtswissenschaften – durchaus weit ausgelegt werden. Es muss nicht eine vollkommen neue Meinung begründet werden, auch neue Argumente oder eine andere Herangehensweise können die Wissenschaft voranbringen. Das fällt naturgemäß leichter, wenn das Thema, mit dem ihr euch beschäftigt, nicht schon Gegenstand zahlreicher mehr oder minder aktueller Monografien, umfangreicher Aufsätze und Urteile war.

Sollte es schon eine Menge Literatur oÄ zu dem Thema geben, ist das zwar kein Ausschlussgrund, aber gibt Anlass, kritisch zu hinterfragen, ob das Thema noch ausreichend ergiebig ist. Vielleicht kann die Forschungsfrage ein wenig geändert werden, um einen verwandten, aber noch nicht so breit diskutierten Aspekt zu beleuchten? Vielleicht gibt es aber auch neuere Erkenntnisse durch aktuelle Rechtsprechung, Gesetzgebung oder Entwicklungen in anderen Rechtsgebieten, die eine erneute Befassung mit dem Thema rechtfertigen? Doch auch dann ist Vorsicht geboten. Eine Dissertation umfasst immer auch darstellende Teile, in denen der Meinungsstand oder das Umfeld des Problems erklärt und beleuchtet werden. Der Eigenleistung sollte demgegenüber noch ausreichend Gewicht zukommen. Ein einziges neues Argument für eine bereits breit besprochene Problematik wird ein solches Gewicht nur selten erreichen können.

4. Wie viele Vorkenntnisse habe ich in dem Bereich, wie viele müsste ich mir neu erarbeiten? Auf welchen Vorkenntnissen kann ich aufbauen?

Ein ganz neues Rechtsgebiet zu erschließen, kann sehr spannend sein. Es bedeutet aber auch eine Menge Arbeit, indem man sich erst einlesen muss, die wichtigsten Quellen noch nicht kennt. Außerdem bedeutet es ein gewisses Risiko, in einem neuen Rechtsgebiet zu schreiben, bei dem man noch nicht einschätzen kann, wie sich das eigene Thema zu dem verhält, was es schon gibt. Schreibt man hingegen in einem Gebiet, mit dem man schon im Studium in Kontakt war – sei es in Vorlesungen, einem Seminar, bei der Arbeit oder während eines Praktikums – kann das viel Arbeit am Anfang ersparen. Diese Arbeit kann reizvoll sein, aber ihr solltet euch am Anfang zumindest darüber im Klaren sein, dass sie anfallen wird

5. Wie konkret ist das Thema?

Die Frage, wie konkret ein Thema sein sollte, lässt sich wohl kaum abstrakt bestimmen. Ideal ist es, wenn es sich relativ gut auf eine oder zwei Forschungsfragen zuspitzen lässt, die ihr (am Ende) mit Ja/Nein oder einem kurzen Satz beantworten könntet, um euer Dissertationsprojekt zusammenzufassen. 

Habt keine Sorge, dass die Fragestellung zu konkret ist: eigentlich jedes Thema lässt sich breit angehen und erweitern. Aber mit einer mehr oder weniger konkreten Frage zu starten, kann sehr hilfreich sein, denn sie gibt den roten Faden für die Dissertation vor. Wenn ihr noch keine konkrete Fragestellung entwickeln konntet, heißt das nicht, dass das Thema ungeeignet ist, aber dann solltet ihr es noch konkretisieren. Manche Themen lassen sich aber auch nicht gut auf eine Fragestellung runterbrechen. Dann ist es vielleicht für eine Dissertation nicht so geeignet.

Habt ihr Ergänzungen? Welche Fragen oder Erkenntnisse waren für euch besonders wichtig, als ihr euer Thema gesucht habt? Und wie habt ihr euer Thema gefunden?

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