Spätestens am Ende der Promotion muss sich jede*r Doktorand*in der Kritik der Gutachter, der Prüfungskommission und letztlich auch der Öffentlichkeit stellen. Idealerweise hat man auch davor schon Gelegenheit, Feedback von ehemaligen Kommilliton*innen, Freund*innen und Bekannten, Kolleg*innen und nicht zuletzt dem Doktorvater oder der Doktormutter zu erhalten. Häufig fällt es uns leicht, mit positivem Feedback umzugehen, nicht so sehr mit negativem Feedback. Gerade bei einem Langzeitprojekt wie der Dissertation, in die man viel Arbeit, Zeit und Mühe hineingesteckt hat, kann es sehr schwer sein, Kritik anzunehmen und nicht an ihr zu verzweifeln. In diesem Beitrag möchte ich ein paar Überlegungen vorstellen, wie das leichter fallen kann.

Vorab noch eine Begriffsklärung. Wenn ich von negativer oder schlechter Kritik schreibe, meine ich damit nicht, dass die Kritik oder das Feedback selbst schlecht sind, sondern dass das Feedback so ausfiel, dass die Dissertation oder bestimmte Aspekte davon nicht gefallen haben oder handwerklich oder inhaltlich nicht überzeugen. Ich gehe dabei grundsätzlich davon aus, dass Feedback konstruktiv und begründet gegeben wird – selbst wenn sie sachlich vielleicht nicht zutrifft. Um nicht konstruktives und pauschales Feedback soll es erst ganz am Ende gehen.

Erst mal durchatmen

Negatives Feedback tut weh. Das ist ganz natürlich und geht vermutlich allen Menschen so, ganz besonders bei Projekten, die einem wichtig sind, in die man viel Arbeit investiert hat und die möglicherweise auch für die Karriere eine große Rolle spielen. Auch wenn die Kritik sachlich ist, fällt es häufig schwer, nicht emotional zu reagieren, besonders, wenn man gerade frisch damit konfrontiert ist.

Aus diesem Grund sollte der erste Schritt nach negativer Kritik erst einmal eine Pause sein. Erst mal durchatmen, vielleicht nur eine Minute, vielleicht auch ein paar Tage, je nachdem wie negativ die Kritik ist, in welchem Stadium der Arbeit man sich befindet und wie emotional man betroffen ist. Wichtig ist, sich vor Augen zu führen, dass die Kritik nicht die eigene Person betrifft, sondern nur die Arbeit. Ich empfinde es auch als sehr hilfreich, in diesem Stadium erst mal bei Freunden oder der Familie Dampf abzulassen und zu jammern. Dadurch kann man die Kritik auf emotionaler Ebene verarbeiten, um sich dann sachlich mit ihr auseinanderzusetzen zu können. Vorher funktioniert es meiner Erfahrung nach nicht.

Dankbar sein

Dankbarkeit ist ein Mode-Thema, das zumindest in diesem Fall aber absolute Berechtigung hat. Wer auch immer die (konstruktive und begründete) Kritik gegeben hat, hat sich Zeit genommen, eure Arbeit zu lesen, zu bewerten und euch das Feedback zu kommunizieren. Dafür sollte man auf jeden Fall dankbar sein, auch wenn das bei eigener emotionaler Involvierung vielleicht zunächst schwer fällt. Denn dass jemand sich diese Zeit nimmt und diese Mühe macht, ist alles andere als selbstverständlich.

Eine dankbare Grundhaltung (idealerweise schon bevor man das Feedback bekommt) kann auch helfen, die Kritik schneller und besser anzunehmen. Überspitzt gesagt führt Dankbarkeit dazu, dass man Kritik als Geschenk und nicht als Angriff ansieht. Und auch wenn jede*r Doktorand*in am liebsten nur mit Lob überschüttet würde, ist es vor allem Kritik an der Arbeit, die einem hilft, das Beste aus sich und seiner Dissertation herauszuholen. Nur durch kontinuierliche Arbeit und Verbesserung kommt am Ende das bestmögliche Produkt heraus. Dafür ist man auf ehrliche Kritik angewiesen, denn irgendwann wird man selbst betriebsblind und braucht den Input von außen. Auch deshalb kann man dankbar sein.

Kritik verstehen

Nachdem man die Kritik emotional verarbeitet und eine dankbare Grundhaltung eingenommen hat, sollte man dann zunächst versuchen, die Kritik wirklich zu verstehen. Das bedeutet sowohl, dass man den eigentlichen Kritikpunkt (zB “Verwendung zu vieler Nominalisierungen”) versteht, als auch seine Begründung nachvollzieht (zB “durch zu viele Nominalisierungen wirkt der Text aufgebläht, passiv und lässt sich daher schlechter lesen”). Am einfachsten funktioniert das im Dialog. Wenn möglich, sollte man daher bei tiefgreifender Kritik um eine weitere Möglichkeit bitten, ein paar Tage später die Kritik zu besprechen, um Unklarheiten zu beseitigen und gemeinsam nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen.

Kritik hinterfragen

Wenn man die Kritik verstanden und die Begründung nachvollzogen hat, muss man noch entscheiden, ob man die Kritikpunkte ebenso sieht oder ob man anderer Meinung ist. Es gibt in Jura bekanntlich selten ein Richtig oder Falsch und auch Stil- und Darstellungsfragen sind häufig zu einem guten Stück auch Geschmackssache. Für eine abweichende Meinung sollte man immer zumindest für sich selbst eine Begründung haben. So verhindert man, dass man aus emotionalen Gründen oder Faulheit entscheidet, einfach bei der ursprünglichen Art zu bleiben.

Kommt die Kritik von der Betreuerin oder dem Betreuer will eine abweichende Meinung natürlich umso mehr begründet und gut überlegt sein, denn die*der Betreuer*in hat zum einen mehr Erfahrung und bewertet zum anderen die Arbeit. Andererseits ist man als Doktorand*in viel tiefer im Thema und kann daher bestimmte Aspekte auch anders betrachten. Außerdem bleibt es letztlich die eigene Dissertation und man muss solche Entscheidungen auf eigene Verantwortung treffen. Wenn eine bestimmte Änderung die Arbeit schlechter macht, nützt es nichts, wenn der Doktorvater oder die Doktormutter dazu geraten hat (vor allem, wenn sie*er sich später nicht einmal mehr an diesen Rat erinnert – was durchaus vorkommen kann). Auch hier gilt es, wenn möglich, das Gespräch zu suchen und dabei die eigene Begründung darzulegen.

Nicht konstruktive oder pauschale Kritik

Manche Korrekturleser und leider auch manche Betreuer*innen geben schlechte Kritik in dem Sinne, dass sie nicht konstruktiv und begründet formuliert oder zu pauschal ist. Hier gibt es aus meiner Sicht zwei Alternativen:

  1. Man sucht das Gespräch und bittet um Substantiierung der Ausführungen und versucht so, die Kritik in konstruktive, hilfreiche Kritik umzuwandeln. Dafür sollte man sich – letztlich wie bei jeder Form von Kritik – gut vorbereiten und zunächst selbst versuchen, die Kritik zu verstehen.
  2. Wenn ein Gespräch nicht möglich oder aussichtslos ist, kann man auch selbst versuchen, zu erkennen, welche der Kritikpunkte einen wahren Kern haben, um diese dann umzusetzen. Das ist viel Arbeit, kann sich aber lohnen. Manchmal liegt der Grund für die Pauschalität der Kritik auch daran, dass die Arbeit selbst noch einen (Darstellungs-)Mangel hat.

Für beide Möglichkeiten ist es ganz besonders wichtig, emotionale Distanz zur Kritik aufzubauen. Auch wenn es ärgerlich ist, solche Kritik zu bekommen, hat sich die Gegenseite immerhin die Zeit genommen, überhaupt Feedback zu geben. Letztlich ist auch schlechte Kritik ein Feedback, das helfen kann, die Arbeit besser zu machen.

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