Die meisten Menschen fallen bei den Four Tendencies* in die Gruppe der Obliger* (in der deutschen Übersetzung “Teamplayer” genannt). Obliger zeichnen sich dadurch aus, dass sie äußere Erwartungen erfüllen, aber Schwierigkeiten haben, eigene, innere Erwartungen zu erfüllen. Wer mehr zu Obligern generell wissen möchte, dem empfehle ich diese Podcast-Folge. In diesem Quiz kann man herausfinden, welchem Persönlichkeitstyp man entspricht.
An Doktoranden werden hinsichtlich ihrer Dissertation typischerweise wenig (konkrete) äußere Erwartungen gestellt. In der Promotionszeit ist man weitgehend frei in der Gestaltung der Arbeitsweise. Und genau das ist für Obliger ein Problem. Sie brauchen von außen kommende Verpflichtungen, sie müssen jemand anderem gegenüber rechenschaftspflichtig (accountable) sein, damit sie produktiv arbeiten können. Zum Glück gibt es einige Methoden, mit denen Obliger diese Rechenschaftspflicht gegenüber anderen schaffen können.
Allerdings stellt Gretchen Rubin immer wieder klar: “Obligers vary dramatically in what makes them feel accountable.”** – es gibt also auch innerhalb der Obliger nicht eine perfekte Lösung, sondern jede*r muss für sich ausprobieren, was für sie oder ihn funktioniert.

Es ist nicht so, dass überhaupt keine Erwartungen an Obliger gestellt werden. Je nach Betreuer*in gibt es offizielle Deadlines, regelmäßige Besprechungen des Fortschritts. Je häufiger diese stattfinden, desto mehr helfen sie Obligern. Wenn man weiß, dass man ein Obliger ist, kann man seinen Betreuer*in auch um solche Deadlines und Besprechungen bitten. Manchen Obligern hilft es auch, wenn der*die Betreuer*in sie ordentlich rügt, wenn sie eine abgesprochene Deadline nicht einhalten. Zu viel Verständnis kann hier schaden – auch das können Obliger ihren Betreuer*innen mitteilen und sie um entsprechende strikte Wahrung der Deadlines bitten.
Eine andere Möglichkeit, äußere Verpflichtungen zu schaffen, sind Doktorandenarbeitsgruppen, spezifisch in der Form, dass man sich in festen Abständen trifft und für die Zeit dazwischen konkrete Ziele formuliert. Beim nächsten Treffen muss man dann offenlegen, welche Ziele man erreicht hat – und setzt sich der “öffentlichen Schande” aus, wenn es nicht geklappt hat.
Für manche Obliger funktioniert diese Art der Verpflichtung nicht, weil es in Jura typischerweise für die eigentliche wissenschaftliche Arbeit der*des Betreuer*in irrelevant ist, ob die Doktorand*innen vorankommen. Anders ist das, wenn sich ein Obliger bewusst macht, dass die Betreuerin sich zum Beispiel extra Zeit frei gehalten hat, um ein Kapitel des Doktoranden zu lesen und das zu Lasten anderer Doktorand*innen geht.
Auch für das Fortkommen der anderen Doktorand*innen im Gruppentreff ist es letztlich egal, welche Fortschritte die anderen Mitglieder machen. Allerdings können manche Obliger durch den Gedanken äußere Erwartungen kreieren, dass für die anderen ein größerer Gruppenzwang entsteht, auch gute Ergebnisse zu präsentieren, je mehr sie selbst vorzuweisen haben. Man kann den Gruppenzwang auch dadurch erhöhen, dass zB die anderen (!) eine kleine Geldsumme in die gemeinsame Kasse bezahlen (1-2 Euro könnten schon ausreichen) oder eine unangenehme Aufgabe erledigen müssen, wenn man selbst das Ziel nicht erreicht.

Äußere Verpflichtungen können auch außerhalb der wissenschaftlichen Kontakte geschaffen werden. Obliger können Partner, Freunde oder Familienmitglieder bitten, sich regelmäßig nach dem Fortschritt der Dissertation zu erkundigen. Oder sie verabreden sich mit Mitbewohnern zum gemeinsamen Frühstück, um sicherzustellen, dass sie früh aufstehen und rechtzeitig das Haus verlassen. Man kann auch mit Kolleg*innen verabreden, morgens gemeinsam eine “heilige” Diss-Stunde einzulegen – man fängt gemeinsam an und hört gemeinsam auf, solange einer nicht auftaucht, arbeitet auch der andere nicht. Das funktioniert übrigens nicht nur mit Menschen in demselben Büro, sondern kann auch über Distanz per WhatsApp, E-Mail oder Telefon gemacht werden. Eine Möglichkeit könnte gerade für die Schlussphase sein, einen Urlaub mit Partner*in oder Freund*innen zu planen, der erst nach Abschluss der Dissertation stattfinden kann. Eine Variante davon könnte es sein, sich gemeinsam mit einem Freund für das Referendariat anzumelden – für den Freund wäre es nicht besonders schön, dann doch alleine starten oder den Beginn des Referendariats verschieben zu müssen.

“An Obliger may be able to meet an aim by thinking of its benefit to other people instead of its personal value.”*** Für die Dissertation könnte das zum Beispiel so aussehen, dass eine Obligerin daran denkt, wie stolz ihre Eltern und Großeltern sein werden, wenn die Dissertation fertig ist und im Regal steht. Ein anderer Obliger könnte an die Vorbildfunktion für seine Kinder oder Nichten und Neffen denken. Jemand anderes könnte daran denken, dass sie früher mehr Geld für ihre Familie verdienen kann, wenn sie früher fertig ist.
Für wieder andere Obliger zählt schon das “zukünftige Ich” als andere Person und es reicht, wenn sie sich bewusst machen, wie sie selbst in Zukunft im Bewerbungsgespräch mit einer tollen Dissertation glänzen können. Auch ToDo-Listen, Tracker oder Handy-Erinnerungen können für manche Obliger eine äußere Erwartung darstellen.
Je nach Thema könnte eine äußere Verpflichtung auch sein, dass einer bestimmten Personengruppe geholfen würde, wenn es für ein Problem eine neue und bessere Lösung gibt und man mit der Dissertation die Rechtsprechung beeinflussen kann.

Neben diesen Möglichkeiten, äußere Verpflichtungen zu schaffen, sollten sich Obliger einen Stolperstein bewusst machen, der sie möglicherweise am Erreichen ihrer (Dissertations-)Ziele hindert. Obliger neigen dazu, Aufgaben von anderen zu übernehmen: “They follow through, they pitch in when other people need help, they volunteer for optional assignments, they’re flexible when things need to change.”**** Natürlich sind das wertvolle und bewundernswerte Eigenschaften. Allerdings sollten Obliger die Augen offen halten und immer wieder kritisch hinterfragen, ob sie gerade zu viel “Ja” zu anderen Aufgaben sagen. Dann sollten sie sich auf die dissertationsbezogenen äußeren Verpflichtungen besinnen und sich klar machen, dass ein “Ja” zu einer Aufgabe gleichzeitig ein “Nein” zu etwas anderem bedeutet. Sie können auch Freunde bitten, ihnen damit zu helfen, solche Situationen zu erkennen, und damit für dieses spezifische Problem eine äußere Verpflichtung schaffen.


*) Gretchen Rubin “The Four Tendencies” bzw. zu deutsch: “Die vier Happiness-Typen”. Alle Zitate in diesem Beitrag sind aus diesem Buch.
**) “Obligers unterscheiden sich dramatisch darin, welche Faktoren dazu führen, dass sie sich verantwortlich fühlen.”
***) “Ein Obliger kann in der Lage sein, ein Ziel zu erreichen, wenn er an die Vorteile denkt, die das Erreichen des Ziels anderen Leuten bringt, statt an seinen persönlichen Vorteil.”
****) “Sie ziehen Projekte bis ans Ende durch, sie packen mit an, wenn Andere Hilfe brauchen, sie melden sich freiwillig für Aufgaben, sie sind flexibel, wenn sich etwas ändern muss.”


Welche Methoden habt ihr als Obliger entwickelt, um äußere Verpflichtungen zu schaffen? Oder welche Methoden habt ihr bei anderen Obligern beobachtet? Schreibt sie in die Kommentare, damit sie anderen helfen!

Hier geht es zu allen Teilen der Four Tendencies Reihe:
Teil 1 – Mithilfe der Four Tendencies zur Dissertation
Teil 2 – Äußere Erwartungen kreieren für Obliger
Teil 3 – Warum? Darum! – Motivation für Questioner
Teil 4 – Äußere und innere Erwartungen zum Ausgleich bringen als Upholder
Teil 5 – Als Rebell ohne Erwartungen ans Ziel

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