Wie lief das Schreiben bei Dir ab? Hast Du von Anfang an geschrieben oder erst nach Abschluss der Recherche? Hast Du Tipps und Ratschläge zum Schreiben?
Janett Bachmann: Meine Doktormutter gab mir einen wichtigen Ratschlag, welchen ich auch so berücksichtigt habe: „Eine Promotion schreibt man von Anfang an.“
Gemeint ist, dass man wirklich mit der Einleitung beginnt und diese zuerst schreibt, quasi als ausformulierte Orientierung und im Anschluss alles systematisch von seiner Gliederung abarbeitet – Punkt für Punkt. Natürlich wird es immer Abschnitte einer Dissertation geben, die man lieber schreibt als andere. Wenn man sich aber strikt an die obige Grundregel hält, läuft man nicht Gefahr, sich in den einzelnen Kapiteln zu verlieren. Lästige Kapitel kann man so auch nicht aufschieben.
Ich habe mich immer daran gehalten. Das „reine“ Schreiben dauerte daher auch nur ca. ein Jahr.
Felix Berner: Ich hatte zunächst versucht, erst alles zu recherchieren und dann zu schreiben. Nach zwei Monaten reiner Recherche habe ich dann gemerkt, dass das für mich nicht der richtige Weg ist. Es fiel mir deutlich leichter, wenn man Fortschritt sah. Ich bin darauf zu einem dreigliedrigen Vorgehen übergegangen: Zu jedem Unterkapitel (manchmal auch zu jeder Überschrift, soweit sich die Überschriften recherchetechnisch reibungslos abschichten ließen) habe ich zunächst die grundlegenden Werke gelesen. Als zweiten Schritt habe ich mir eigenständige Gedanken gemacht (soweit ich nicht bereits vor einem Unterkapitel eine Ausgangsthese hatte) und diese eigenständigen Gedanken verschriftlicht. In einem dritten Schritt habe ich alles gelesen, was ich zu dem Thema finden konnte und anhand dessen meinen angefertigten Text überprüft.
Dieses Vorgehen hat einen offensichtlichen Nachteil. Man muss sich bewusst sein, dass es nicht nur einmal vorkommen wird, dass man einen bereits geschriebenen Text entweder komplett umschreiben oder auch teilweise einfach löschen muss, wenn sich herausstellt, dass Annahmen oder eigene Thesen nicht zutreffen.
Für mich war es trotzdem der richtige Weg. Zunächst verhinderte es, dass man oft Gelesenes in ähnlicher Sprache (bewusst oder unbewusst) wiedergibt. Zweitens schreibt man seinen Kerntext zu einem Zeitpunkt, an dem man sich noch nicht zu lange mit einem Thema beschäftigt hat, das Thema damit zu diesem Zeitpunkt noch neuer und spannender für einen selbst ist und sich das hoffentlich auch im Text widerspiegelt. Der Text wird deswegen „spannender“, weil man oft Fragen aufwirft, zu denen man selbst noch keine Antwort hat und diese Antwort dann sucht, was sich ebenfalls im Text niederschlägt und ihm eine Struktur gibt. Letztlich ist man deutlich geneigter, eigene Thesen/Erkenntnisse aufgrund überzeugenderen Argumenten über Bord zu werfen, wenn man den Text mit der steten Möglichkeit verfasst, dass man dies manchmal wird machen müssen.
Christopher Czimek: Auf nachdrücklichen Rat meines Doktorvaters hin habe ich vom ersten Tag an geschrieben. Meine Arbeit habe ich bei der Gewinnung neuer Erkenntnisse stetig fortentwickelt. Nicht selten habe ich ganze Passagen aber auch wieder löschen, umschreiben oder an eine andere Stelle ziehen müssen.
Dennoch würde ich immer wieder so vorgehen und dies nachdrücklich auch anderen Doktoranden empfehlen. Insbesondere in psychologischer Hinsicht motiviert es zu Beginn unheimlich, wenn die Seitenzahl der Arbeit in den ersten Wochen und Monaten erheblich wächst. So kam es nicht selten vor, dass ich am Abend 5 Seiten mehr auf der Haben-Seite stehen hatte als noch am Morgen. Dies wurde selbstverständlich irgendwann weniger. Da stand dann aber schon ein Großteil des Umfangs der Arbeit und die konstante Motivation kam durch das Abschließen einzelner Passagen und Kapitel.
Anna Maria Ernst: Ich bin kapitelweise vorgegangen. Zunächst habe ich mir Literatur zu einem Themenkomplex gesucht, diese durchgearbeitet und dann zeitnah mit dem Schreiben begonnen. Im Anschluss habe ich das bereits Niedergeschriebene dann häufig noch verändert bzw. um weitere Quellen ergänzt.
Anton Geier: Meine persönliche Arbeitsweise ist davon geprägt, dass ich schnell etwas zu Papier bringe und erst im zweiten Schritt darüber nachdenke. Wenn mir zeitgleich Gedanken zu zwei völlig unterschiedlichen Abschnitten eines großen Textes kommen, arbeite ich auch mal parallel an zwei oder mehr Textstellen. Ich habe mal versucht, mich in etwas einzulesen und danach zu schreiben. Das war nicht mein Ding und hat eigentlich nur Zeit gekostet.
Natürlich muss man grob wissen, was man schreiben will, bevor man formuliert. Aber ich habe immer so weit geschrieben, wie es mit den Bordmitteln einer kleineren Auswahl an Literatur und Datenbanken ging und erst tiefer recherchiert, wenn ich nicht weiterkam – dann aber mit einer konkreten Frage oder These. Dadurch konnte ich schnell recherchieren und das Verfeinern eines stehenden Entwurfstexts fiel mir immer leichter, als vor dem berüchtigten weißen Blatt Papier zu stehen. Es ist auch ein Stück weit beruhigend, wenn man schon einmal ein Überschriftengerüst und ein wenig Text stehen hat, mag das alles auch noch so ausbaufähig sein. Das ist für mich ein besseres Gefühl, als zu wissen, dass ich umfänglich und erschöpfend Literatur und Rechtsprechung gesichtet und verinnerlicht habe.
Susanne Gössl: Ich habe immer erst recherchiert und dabei Stichpunkte mit Fußnoten gemacht, wenn ich dabei Gedanken hatte, habe ich sie farbig dazu geschrieben, um deutlich zu machen, dass es meine Gedanken sind. Dann habe ich die Notizen sortiert, nach Argumenten, Gedankenfluss und Methodik und sie danach ausformuliert. Wenn ich mit einem Kapitel fertig war, habe ich es überarbeitet und vor allem gekürzt. Hintergrund war auch, dass mein Betreuer in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt der Arbeit lesen können sollte. Ich habe damals stets alle zwei bis drei Monate einen Termin mit ihm vereinbart und etwa eine Woche vor dem Termin mir selbst den Druck gemacht, eine ausformulierte, vorzeigbare Textversion an ihn schicken zu können. Das war gut, um Feedback zu kriegen, ob mein Gedankengang so sinnvoll ist, aber zusätzlich hat es auch dazu geführt, dass ich meine Gedanken immer schon zeitnah ausformulieren musste.
Nadja Harraschain: Ich habe erst nach Abschluss der Recherche mit dem eigentlichen Verfassen der Arbeit begonnen. Das hat einerseits dazu geführt, dass es lange gedauert hat, bis ich die ersten Seiten geschrieben hatte. Andererseits habe ich dadurch aber auch nichts mehr nachträglich rausstreichen müssen.
Mein Tipp ist, sich klarzumachen, dass es zwei grundverschiedene Herangehensweisen gibt: Entweder man schreibt sehr früh und recherchiert parallel weiter. Das führt ggf. dazu, dass man bereits verschriftliche Teile seiner Promotion im Nachhinein noch grundlegenden Änderungen unterzieht oder sie schlimmstenfalls rausstreicht. Es bringt aber den Vorteil mit sich, dass man schon früh Erfolgserlebnisse hat. Ein Freund von mir formulierte das mal etwa so: „Wenn man die ersten 100 Seiten seiner Doktorarbeit mal geschrieben hat, wirft man auch nicht mehr das Handtuch.“
Oder man recherchiert erst mal ganz viel und beginnt erst spät mit der Verschriftlichung. Auf diesem Wege behält man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die geschriebenen Teile gänzlich bei. Es bringt aber den Nachteil mit sich, dass man bis zur Verschriftlichung eine lange Durststrecke durchläuft, in der die bereits geleistete Arbeit quasi unsichtbar bleibt.
Das ist schlichtweg Typsache und man sollte sich nicht davon unter Druck setzen lassen, dass es andere anders machen.
Scarlett Jansen: Wenn ich ein Thema gefunden und grob gegliedert habe, schreibe ich kapitelweise. Innerhalb des Kapitels findet für einzelne Probleme immer eine spezielle Literaturrecherche statt und im Anschluss schreibe ich dazu. Selbstverständlich kommt es bei der Bearbeitung späterer Kapitel auch immer wieder zu Veränderungen. Als Ratschlag kann ich mitgeben, dass es zumindest mir immer sehr gut getan hat, „anzufangen“ und einfach mal etwas zu schreiben. Ob das am Ende stehen bleibt, ist freilich eine andere Frage, aber das weiße Blatt stört nicht mehr und man hat den ersten Schritt getan.
Andreas Krebs: Ich denke, was die Umsetzung angeht, muss jeder seinen eigenen Weg finden. Ich bin Kapitel für Kapitel vorgegangen, habe die Literatur jeweils ausgewertet und dann so lange an einem Kapitel gearbeitet, bis ich zufrieden war. Dann habe ich meistens eine Pause eingelegt und den Fußnotenapparat überarbeitet. Das wäre aus meiner Sicht vielleicht der beste Ratschlag: Ein guter Fußnotenapparat kann die Qualität einer Arbeit, aber auch das eigene Denken maßgeblich fördern.
Verena Roder-Hießerich: Ich habe tendenziell immer parallel zur Recherche geschrieben, da die Masse an Informationen sonst nicht zu verarbeiten gewesen wäre. Dadurch mag der Umfang des Werkes zugenommen haben. Natürlich gab es immer wieder lange Phasen, an denen die Zeit vollständig für Lehrstuhl-Tätigkeiten aufgewendet werden musste und man erst nach langer Zeit wieder zur eigenen Dissertation zurückkehren konnte. Allerdings gab es auch Synergien durch Schnittstellen der Themen bei der Lehrstuhlarbeit und der Dissertation.
Anne Sanders: Ich habe von Anfang an geschrieben, und sei es auch nur kurze Zusammenfassungen der Texte, die ich gelesen habe. Ich kann gar nicht anders. Ich denke beim Schreiben. Grundsätzlich würde ich heute meinen eigenen Doktoranden raten, erstmal ein Exposé wie eine Seminararbeit oder einen Aufsatz zu schreiben. Dafür muss man dann zuerst recherchieren, damit man eine grundlegende Vorstellung hat. Dann kann man aber das Exposé erweitern und dabei jeweils den Blick zwischen Recherche und Schreiben hin- und herwandern lassen. Dabei kann (und soll) man durchaus viel Zeit mit reiner Recherche verbringen. Ich würde aber immer die Eindrücke und Ideen, die man dabei hat, sofort niederschreiben und mit Fundstellen zur Quelle versehen. Sonst liest man nachher jahrelang und findet zum Schluss nichts mehr wieder.
Mareike Schmidt: Ich habe mich mit dem Schreiben zunächst recht schwer getan. Den Großteil der Schreibarbeit habe ich etwa im letzten Jahr meiner Arbeit an der Dissertation geleistet, also als zumindest das Allermeiste recherchiert war. Und ich würde sagen, auch innerhalb dieses letzten Jahres war meine Produktivität gegen Ende hin am höchsten. Mit diesem Ablauf umzugehen war insofern nicht einfach für mich, als ich mir sehr lange Sorgen gemacht habe, weil ich immer noch keinen Text zu Papier gebracht hatte. (Besonders nervig war es, wenn ich gefragt wurde, wie weit ich denn schon sei.) Dafür ging es dann in den letzten Monaten ziemlich zügig – es war aber auch ein Kraftakt. Pauschale Ratschläge zum Schreiben finde ich schwierig, da nach allem, was wir aus der Forschung zum (wissenschaftlichen) Schreiben wissen, sehr unterschiedliche Wege existieren und sie alle zum Ziel führen (können). Insofern glaube ich, dass es hilfreich ist, sich darüber zu informieren, wie unterschiedlich verschiedene Personen arbeiten, und sich selbst und die eigene Arbeitsweise kritisch (aber auch liebevoll) zu beobachten. Auf keinen Fall scheint es mir förderlich, sich einreden zu lassen, dass es einen richtigen Weg des Arbeitens gebe. Es kann sich aber lohnen, mal verschiedene Techniken auszuprobieren – insbesondere wenn man feststeckt.
Rick Sprotte: Durch das Exposé war ich gezwungen, recht frühzeitig mit dem Schreiben anzufangen. Auch wenn ich es danach zugunsten der Recherche wieder etwas vernachlässigt habe, würde ich nachbetrachtend sagen, je früher man mit dem Schreiben beginnt desto förderlicher für den gesamten Prozess. Aber, man sollte dieses frühe Schreiben auch immer vor dem Hintergrund durchführen, “Backspace” als steten Begleiter zu betrachten. Was steht, steht nicht für immer (erst nach der Veröffentlichung). Sich das bewusst zu machen, dass man unter Umständen jeden Satz wieder überarbeiten muss, je zeitiger man das Schreiben beginnt, kann man sich nicht stark genug vor Augen führen. Meiner Erfahrung nach galt das für jede Phase des Schreibens. Aber irgendwann sollte man dafür auch ein Ende finden. An der Stelle möchte ich gern den von meine Doktormutter vielzitierten Satz wiedergeben: „The better is the enemy of the good“.
Sabine Vianden: Ich habe nach ca. 3 Monaten „Grundrecherche“ angefangen zu schreiben. Ich hatte dann von den einzelnen Abschnitten eine Rohfassung, die ich später mit weiteren Details angereichert habe. Bei dem Teil meiner Dissertation, der sich unmittelbar mit dem Entgelttransparenzgesetz beschäftigt war das aber anders. Immer, wenn es neue Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren gab, habe ich diese sofort aufgenommen.
Insgesamt würde ich empfehlen, gut zu markieren, wenn man in die Rohfassung wörtliche Zitate übernimmt, um später nicht den Überblick zu verlieren. Außerdem sollte man sich Detailfragen, die beim Schreiben auftreten, zunächst an den Rand notieren und später wieder anschauen. Oft merkt man bei einem zweiten Blick, dass dieses Detail zu weit führen und nur aufhalten würde. Den zweiten Blick empfehle ich auch bei Fragen, an denen man gefühlt überhaupt nicht weiterkommt. Der überwiegende Teil der Probleme hat sich bei mir am nächsten Tag oder in der nächsten Woche durch einen frischen Kopf von selbst erledigt.
Anonym: Ich habe von Anfang an geschrieben. Selbst wenn man meint, man müsse erst einen größeren Themenkomplex oder gar die ganze Arbeit recherchieren, bevor man mit dem Schreiben anfängt, kann ich nur dringend dazu raten sich nach der jeweiligen Recherche digitale Stichworte zu machen oder eine Rohfassung. Man vergisst, was man gelesen hat. Ich habe, da ich ja eine Gliederung hatte, immer wenn ich einen Text gelesen habe, mir die entsprechenden Fundstellen direkt in den Kapiteln notiert, wo ich dachte, dass ich sie später gebrauchen könnte. Es macht auch häufig Sinn, einzelne Abschnitte wie beispielsweise eine rechtshistorische Einleitung zu recherchieren und direkt zu schreiben, da man den Inhalt nicht für die weitere Recherche braucht und ihn gedanklich ad acta legen kann, wenn man das Kapitel beendet hat. Da ich so wenige Fundstellen hatte, habe ich kein Citavi oder ähnliches benutzt, sondern alle Fußnoten händisch erstellt.
Bianca von Dr-Jur.net: Anfangs habe ich schon nebenher geschrieben – Recherche und Schreiben gingen mehr oder weniger nahtlos ineinander über, wobei ich aber zu jedem einzelnen Block erst einmal die Recherche abgeschlossen und dann geschrieben habe. Seit einem Gespräch mit meinem Doktorvater, etwa ein Jahr nach Beginn der Arbeit, schreibe ich zwar weiterhin Fließtexte, aber eher als Ersatz für Notizen. Das eigentliche Schreiben kommt erst, wenn ich mit der Recherche fertig bin.
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